105 - Der Ruf nach Freiheit
Pechfackeln in der einen Hand und die Peitsche in der anderen.
Matt hatte Schwierigkeiten beim Gehen - die Fußketten waren kürzer als seine normale Schrittweite, sodass er sich ständig selber von den Beinen riss. Mühsam stolperte er auf das Lagertor zu.
Der Palisadenzaun ringsum bestand aus angespitzten Baumstämmen. Matt sah nach oben. Keine Wachen! Soeben ging der Mond auf, und ein eisiger Wind pfiff über die Insel. Er brachte Wolken aus Südwesten mit, die sich vor die Sterne schoben. Wahrscheinlich wird es schneien heute Nacht!
Das Tor wurde mit Querbalken gesichert, wie Matt bemerkte, als er auf den Platz trat. Um die Silhouetten der vor ihm gehenden Sklaven formte sich ein gelber Schein. Er stammte von dem Lagerfeuer, das vor zwei wuchtigen Statuen loderte.
»Nimrökk und M'anagar, die Götter der Hoggads«, erklärte ihm Yörrik.
Matt wurde die Kehle eng beim Anblick der beiden Technos, die an den Pfählen festgekettet waren. Sie schienen unverletzt, und ihre Schutzanzüge hielten die schlimmste Kälte ab.
Dennoch würden Andrew und Peter hier nicht lange überleben können. Haltet durch! , dachte Matt inständig. Ich werde euch befreien! Ich finde einen Weg!
Plötzlich erscholl ein Warnruf: Zwei Mähnenschafe hatten sich aus ihrem Gatter befreit. Blökend kamen die großen, schwarz verzottelten Tiere auf den Platz gefegt. Die Sklaven rissen ihre Körbe herunter, stellten sie nebeneinander ab und gingen dahinter in Deckung.
Yörrik zerrte Matt an die Palisaden zurück. »Vorsicht mit den Biestern! Sie sind bissig wie Spikkare«, warnte er, wies auf den Dorfrand und fügte hinzu: »Die da übrigens auch!«
Zwischen den Hütten quollen Hoggads hervor, in Pelze gehüllt und Schwerter am Gürtel. Matt erkannte erst auf den zweiten Blick, dass es Frauen waren. Mit ausgestreckten Händen und wehendem Langhaar rannten sie hinter den Schafen her.
Eines der Tiere warf sich plötzlich herum, senkte den Kopf und donnerte auf Gosta zu, dicht gefolgt von einer besonders kräftigen Amazone. Yörrik raunte: »Das ist Nenzie, die Frau des Sklavenhüters.«
Matt schluckte unwillkürlich, als die Hoggad wie eine Naturgewalt heranstürmte. Ihre Felljacke stand offen und entblößte voluminöse Brüste, die beim Laufen einen nicht unerheblichen Höhenunterschied überwinden mussten. Wild entschlossen warf sie sich über das Mähnenschaf, nagelte es mit ihrem Gewicht auf den Boden und sah Beifall heischend hoch.
Gosta zwinkerte ihr zu. Sie zeigte eine Reihe schadhafter Zähne.
Kurz darauf war auch das andere Schaf gefangen und die Sklaven zogen weiter. Matt zählte sechs Wächter am Göttertor.
Als er auf gleicher Höhe mit ihnen war, löste sich Haakor aus der Runde, kam über den Platz und lief ein Stück neben seinem Vater her.
»Die Haarlosen wollen nicht verraten, wo der dritte Mann ist«, hörte Matt ihn sagen. »Der eine jammert über Viiren - was immer das sein mag -, und der andere behauptet stur, Pekkman wäre ein Kolk, der hier irgendwo herumfliegt.«
Das ist er ja auch, du Idiot , dachte Matt, als Gostas teuflische Sanftstimme erklang: »Lügner muss man bestrafen, Sohn. Schneide ihm die Zunge heraus!«
Matts Augen weiteten sich. »Nein! Nein!«, rief er erschrocken und stolperte auf den Sklavenhüter zu.
Gosta lächelte. »Möchtest du uns etwas sagen?«
Hastig suchte Matt nach Worten. Mit Appellen an die Menschlichkeit brauchte er es gar nicht erst zu versuchen - es musste etwas her, das die Wilden so beeindruckte, dass sie es nicht wagten, Peter und Andrew zu töten. Etwas, das tief verwurzelte Ängste ansprach.
Barbaren sind abergläubisch! Matt straffte sich. »Die Haarlosen wissen es nicht besser«, sagte er laut und fest.
»Pekkman ist ein Schamanenkrieger! Er kontrolliert ihren Geist, um sein Geheimnis zu schützen.«
»Du lügst«, erwiderte Gosta prompt. Doch in seinen Augen flackerte Unsicherheit auf. Nur für einen Moment. Matt nutzte ihn.
»Und warum habe ich nur drei Helfer mitgebracht statt einer ganzen Armee?«, fragte er herausfordernd. Ihm schlug das Herz bis zum Hals. Mach jetzt keinen Fehler, Drax! Du würdest es nicht überleben!
Gosta beugte sich lauernd vor. »Dieser… Schamanenkrieger ist also dein Freund?«
Matt spielte den Gleichgültigen. »Na ja - Freund wäre zu viel gesagt. Wir kennen uns, und er schuldet mir einen Gefallen.«
»Tatsächlich?« Gostas Augen verengten sich. »Wieso hat er dann zugelassen, dass du geschnappt wurdest?«
Zeitlich begrenztes
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