105 - Trank des Verderbens
BBC-Manager stoppte das Band und ließ es zurücklaufen.
Stille herrschte im Raum. Für mich stand fest, daß wir soeben Zeuge eines Mordes gewesen waren. Aber auf welche Weise war er verübt worden?
Chuck Attenborough trat ein. Der BBC-Manager machte uns mit ihm bekannt.
»Wir haben soeben die Aufzeichnung gesehen«, sagte Tucker Peckinpah. »Können Sie uns sagen, warum Randolph Anderson Sie so entsetzt anstarrte?«
Der Reporter schüttelte den Kopf. »Ich habe keinen blassen Schimmer, Sir. Ich hatte den Eindruck, er würde sich plötzlich schrecklich vor mir fürchten. Vielleicht erinnerte ihn mein Aussehen an irgend jemanden, der ihm etwas Böses angedroht hatte. Fast noch mehr schien er sich vor meinem Mikrophon zu fürchten. Als ich es ihm näher an den Mund hielt, drehte er durch. Sie haben es ja gesehen.«
»Sie wissen also nicht, was die Ursache für Andersons plötzliche panische Angst gewesen sein könnte«, sagte Peckinpah.
»Ich habe dafür nur eine einzige Erklärung: Verfolgungswahn«, sagte Chuck Attenborough.
»Bis zu diesem Moment war Randolph Anderson aber doch völlig normal«, sagte der Industrielle.
»Überschnappen kann jeder von uns von einer Sekunde zur nächsten. Das menschliche Gehirn ist ein höchst komplizierter Apparat.«
»Machten Sie irgendeine Wahrnehmung, die einen Grund für seinen plötzlichen geistigen Defekt erkennen läßt?« wollte ich wissen.
Der Reporter schüttelte den Kopf. »Nichts, Mr. Ballard. Gar nichts. Ich stehe genau wie alle anderen vor einem Rätsel.«
Wir hatten keine weiteren Fragen an ihn. Der BBC-Manager sagte, Attenborough könne gehen.
»Kennen Sie ihn gut?« fragte Tucker Peckinpah den Weißhaarigen.
»Attenborough? Er ist einer unserer besten Leute.«
»Würden Sie für ihn die Hand ins Feuer legen?« erkundigte sich der Industrielle.
»Jederzeit.«
Auch ich glaubte, daß Chuck Attenborough nichts mit Randolph Andersons plötzlich auftretendem Wahnsinn zu tun hatte. Ebenso wie Harold Fraser nichts mit meiner Verrücktheit zu schaffen hatte.
Eine mysteriöse Mordserie hatte ihren Lauf genommen. Wer steckte dahinter?
***
Zu seinem zweiten Geburtstag bekam Dave Suzman einen Hund geschenkt. Es war ein schönes, schon großes Tier, dessen Fell schwarz wie die Nacht war und seidig glänzte.
In den ersten Wochen hatte das Tier, es hieß Akim, sichtlich Angst vor dem Kind. Man sah es ihm an. Mit eingeklemmten Schwanz und geduckt, als erwarte er Schläge, näherte sich der Hund dem Kind.
Akim wich Dave aus, wenn es möglich war, und manchmal floh das Tier winselnd aus dem Zimmer. Wenn Esther ihren Sohn dann ansah, hatte er jedesmal diese rot leuchtenden Augen.
Sie hatte Grace Spencer gebeten, nicht über die ungewöhnlichen Fähigkeiten des Kindes zu sprechen, und die Gouvernante hielt sich an das Versprechen, das sie der leidgeprüften, ständig kränkelnden und blassen Mutter gab. Obwohl ihr der Kleine nicht mehr geheuer war, versuchte sie ihn so zu behandeln, als wäre er normal.
Der Hund gewöhnte sich allmählich an Dave. Er befand sich bald immer an der Seite des Kleinen. Wenn Dave schlief, lag Akim vor seinem Bett. Wenn Dave spielte, befand sich der schwarze Hund in seiner Nähe.
Er schien, als hätte Akim eine Funktion übernommen, als würde er auf Dave aufpassen.
Eines grauen Wochentags war Grace Spencer mit Dave und Akim allein im Haus. Esther Suzman hatte die Einladung eines sympathischen Bekannten angenommen und war zu diesem aufs Land gefahren.
Alan Larkin, so hieß der Mann, verehrte Ester seit geraumer Zeit und machte ihr den Hof. Sie fand ihn sehr nett, und da er ein vollkommener Gentleman war, durfte sie seine Einladung annehmen, ohne befürchten zu müssen, daß er die Situation ausnützen würde.
Sie konnte ihm vertrauen. Er besaß ein schönes Haus, eine halbe Tagesfahrt von London entfernt, und wenn Esther dort wohnte, brauchte sie nicht einmal ihre Tür abzuschließen.
Er wäre nur dann zu ihr gekommen, wenn sie ihn dazu aufgefordert hätte, und das hatte sie nicht vor.
Nach wie vor reichte ihr ein Mann fürs ganze Leben. Obwohl sie Alan Larkin sehr mochte, konnte sie sich nicht vorstellen, irgendwann einmal intim mit ihm zu werden.
Während sich Esther Suzman also bei Larkin auf dem Land befand, um sich von Dave und dessen gesundheitsschädigendem Einfluß zu erholen, braute sich zu Hause in London etwas Schreckliches zusammen.
Grace Spencer glaubte, Dave hätte sie schon längst akzeptiert. Sie trat ihm
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