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105 - Trank des Verderbens

105 - Trank des Verderbens

Titel: 105 - Trank des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.F.Morland
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stöckelte sie vor mir aus dem Raum, einen Flur entlang und blieb vor einer gepolsterten Tür stehen. Sie öffnete diese für mich, trat selbst aber nicht ein, sagte nur: »Mr. Ballard, Sir.« Dann entfernte sie sich.
    Ich betrat das vornehme, geschmackvoll eingerichtete Büro des Rechtsanwalts.
    Neil Higgins tat so, als würde er mich seit Jahren kennen. Lächelnd kam er hinter seinem Schreibtisch hervor. Ein Tennistyp, etwas älter als ich, bestimmt sehr clever.
    Sein Händedruck war fest, sein Blick offen. Er bot mir Platz an. »Was zu trinken?« fragte er.
    Ich lehnte ab. Wir setzten uns.
    »Es ist ein trauriger Anlaß, der mich zu Ihnen führt«, begann ich.
    Higgins wurde ernst. »Ja, ich weiß Bescheid. Lord Greenaway stand mir menschlich sehr nahe. Unsere Beziehung ging über den geschäftlichen Rahmen hinaus. Ich war ab und zu auch privat auf Greenaway Manor. Ein tragischer Unfall.«
    Ich widersprach dem Anwalt nicht, aber meiner Ansicht nach war Lord Greenaway keinem Unfall zum Opfer gefallen. Vielleicht hatte ich das angenommen, wenn man mir nicht diesen üblen Streich gespielt hätte. Für mich stand seither fest, daß der reiche Lord auf eine höchst raffinierte und geheimnisvolle Weise ermordet worden war.
    »Lord Hugh Greenaway war ein reicher Mann«, sagte ich. »Ich möchte von Ihnen nicht wissen, wie groß sein Vermögen ist. Was mich interessiert, ist die Frage: Wer bekommt es nun?«
    »Es gibt ein Testament, in dem Lord Greenaway das präzise festgelegt hat«, antwortete der Rechtsanwalt.
    Ich erfuhr, daß Janet und Harold Fraser ausgesorgt hatten. Sie brauchten sich keinen anderen Job zu suchen, konnten von dem Geld leben, das ihnen der Lord testamentarisch zugedacht hatte.
    Und wer bekam den weitaus größeren Happen?
    »Sein restliches Vermögen vermachte Lord Greenaway einer gemeinnützigen Gesellschaft«, eröffnete mir Neil Higgins.
    »Hat diese Gesellschaft einen Namen?« wollte ich wissen.
    »Es ist die Rocca Fondation«, antwortete der Anwalt.
    Rocca Fondation. Ich hatte davon noch nie gehört, und auch Higgins konnte mir nicht viel darüber erzählen. Ich nahm mir deshalb vor, Tucker Peckinpah einzuspannen. Bei seinen phänomenalen Verbindungen würde er im Handumdrehen alles Wissenswerte über diese Fondation herausgefunden haben.
    Higgins sagte: »Ursprünglich wollte Lord Greenaway sein Vermögen einer anderen Organisation zukommen lassen - dem World Wildlife Found. Aber dann änderte er sein Testament.«
    »Wann?« wollte ich wissen.
    »Vor einigen Monaten erst.«
    »Nannte er irgendeinen Grund?« erkundigte ich mich.
    »Nein.«
    Vor ein paar Monaten änderte der Lord sein Testament, und nun war er tot.
    Das stank doch!
    ***
    Die nächsten Wochen und Monate waren für Esther Suzman die Hölle. Die Zeitungen hatten die Mordgeschichte aufgebauscht, hatten eine blutige Sensation daraus gemacht und nach allen Regeln der Kunst ausgeschlachtet. Die Menschen waren aufgehetzt und begegneten der jungen Frau überall mit Ablehnung und Feindschaft.
    Das ging so weit, daß man die Wände ihres Hauses beschmierte und die Fenster mit Steinen einwarf. Esther Suzman bekam anonyme Briefe, in denen sie aufgefordert wurde zu verschwinden. Man wolle sie nicht in der Nachbarschaft haben.
    Einmal flog sogar eine brennende Petroleumlampe zum Fenster herein und setzte Vorhänge und Teppiche in Brand. Zum Glück war die junge Witwe zu Hause und konnte den Brand löschen. Aber ein weiterer Aufenthalt in diesem Haus war nicht möglich.
    War sie nicht genug gestraft, mit einem solchen Mann verheiratet gewesen zu sein? Warum machte man sie für Daves Taten verantwortlich? Dafür konnte sie doch nichts. Sie hatte nichts davon gewußt. Aber die Menschen können so schrecklich unvernünftig sein.
    Geld besaß sie genug. Sie konnte überall hingehen.
    Esther verkaufte das Haus, in dem sie soviel Unglück erlebt hatte, und verließ Boston. Aber sie übersiedelte nicht ins nahe New York, sondern kehrte Amerika den Rücken und schiffte sich mit ihrem Kind nach England ein.
    Als sie sich in London niederließ, war ihr Sohn Dave sechs Monate alt. Sie versuchte das Kind zu lieben. Schließlich wäre das ihre mütterliche Pflicht gewesen, aber sie konnte Dave keine Liebe schenken. Sie fühlte sich unbehaglich in seiner Nähe.
    Er war kein Kind wie andere. Oh, er sah wunderschön aus mit seinem dichten dunklen Haar und den großen blauen Augen, mit denen er so unschuldig dreinblicken konnte.
    Aber er war nicht harmlos.

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