105 - Trank des Verderbens
abreißen und war verdammt kräfteraubend gewesen.
Es hatte sich einiges geändert. Ich war endlich das Marbu-Gift los, das so lange in meinen Adern kreiste. Wir kannten den Namen des Höllenschwerts, und Mr. Silver hatte seinen Sohn gefunden. Es war der Silberdämon Metal, dem Mr. Silver das Versprechen abgenommen hatte, sich von nun an neutral zu verhalten. Auch die Hexe Cuca hatte das versprochen. Wir konnten nur hoffen, daß sie ihr Wort nicht brachen.
Wie schon fast üblich, gab es auch diesmal wieder einen Wermutstropfen bei der Sache: Roxane, die Hexe aus dem Jenseits, hatte uns verlassen. Niemand wußte, wo sie sich aufhielt. Sie war darüber, daß Mr. Silver mit Cuca ein eigenes Haus beziehen wollte, so erbost gewesen, daß sie einfach fortgelaufen war.
Inzwischen wohnte der Ex-Dämon in einem Haus, das ihm Tucker Peckinpah zur Verfügung gestellt hatte, mit Cuca und Metal zusammen.
Ein ziemlich verfahrener Karren war das. Ob sich die Geschichte mit Roxane wieder einrenken ließ, wußte keiner von uns. Am allerwenigsten Mr. Silver.
Er war nicht glücklich über diese Entwicklung, doch im Moment sah er sich außerstande, daran etwas zu ändern. Vielleicht arbeitete die Zeit für ihn und brachte ihm Roxane wieder.
Aber wie würde Cuca darauf reagieren? Ich zerbrach mir darüber lieber nicht den Kopf.
Über einem frisch gedüngten Feld (welch ein Aroma) flatterte ein kleiner Vogel und zwitscherte laut.
Jubilee sah zu ihm hoch. Sie war siebzehn, hatte kurzes brünettes Haar, eine knabenhafte Figur und braun gesprenkelte Augen. Vicky und ich mochten sie sehr, und wir hofften, schon bald ihre Eltern ausfindig zu machen. Die Schwierigkeit lag darin, daß niemand wußte, wer Jubilees Eltern waren. Ein Heer von Detektiven, die Peckinpah bezahlte, bemühte sich um eine Lösung dieses Rätsels. Bis dahin lebte Jubilee bei uns, und wir versuchten sie zu erziehen, ohne ihr ein unbequemes Korsett anzulegen, das aus sturen Regeln und Verboten bestand.
»Nun seht euch nur den lustigen Vogel an!« rief Jubilee lachend.
»Du solltest lieber auf die Straße sehen!« sagte Vicky Bonney.
Kaum hatte meine blonde Freundin geendet, da quietschte Jubilee schon auf. Sie wackelte mit der Lenkstange, verlor die Balance und purzelte in den Straßengraben.
»Jubilee!« rief Vicky erschrocken aus, bremste und stieg ab.
Das Mädchen erhob sich. Ein schmerzlicher Ausdruck zuckte über ihr Gesicht.
»Hast du dir wehgetan?« fragte Vicky besorgt. »Beim Radfahren guckt man nicht in den Himmel.«
Ich sah Blut an Jubilees Knien, aber ich machte mir um dieses Mädchen keine Sorgen. Sie hatte in ihrem jungen Leben schon mehr abgekriegt als aufgeschundene Knie, und sie war auch nicht wehleidig.
Vicky wollte ihr helfen, doch sie sagte: »Laß nur, Vicky. Es geht schon.«
Dann hob sie ihr Fahrrad auf und schob es zur Straße zurück. Sie klemmte das Vorderrad zwischen ihre hübschen Beine, richtete die Lenkstange, und wenig später setzten wir die Fahrt fort.
Trotz dieses kleinen Zwischenfalls war es für uns drei der schönste Tag seit langem, doch das sollte nicht so bleiben. Düstere Wolken zogen in der Ferne auf.
Sie waren nicht zu sehen, aber sie waren da, und sie kamen rasch näher. Das Unheil kroch heran, lautlos wie ein hungriger schwarzer Panther.
Es schlug zunächst in London zu…
***
Genauer: in einem Vorort von London - in Bromley. Dort lebte Lord Hugh Greenaway, ein distinguierter alter Herr, den man zu den reichsten Männern Englands zählte.
Er war wohlbeleibt, trug Maßanzüge, die seine Fülle gut kaschierten, und man sagte ihm nach, er habe ein Herz aus Gold. Er hatte ein kleines Vermögen für die Menschen der Dritten Welt gespendet und sich persönlich davon überzeugt, daß diese Spende auch tatsächlich den Bedürftigen zugute kam.
Er lebte, wie viele seiner Vorfahren, in Greenaway Manor, einem düsteren Haus, das sich seit Generationen im Familienbesitz befand. Man sollte meinen, daß ein Mann wie Hugh Greenaway, der sein Lebtag nur Gutes getan hatte, keine Feinde hatte.
Aber es gab welche, und sie gingen sogar soweit, ihm nach dem Leben zu trachten.
Sie setzten schwarze Kräfte gegen ihn ein. Er fing an, sich unbehaglich zu fühlen, ohne zu wissen, was im Gange war.
Sein Instinkt hatte ihn veranlaßt, Tucker Peckinpah anzurufen. Er war mit diesem reichen Industriellen seit Jahren befreundet. Peckinpah hatte versprochen zu kommen, und nun wartete Greenaway auf dessen Eintreffen.
Doch Peckinpah
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