105 - Trank des Verderbens
schrumpfen.«
Ich machte eine wegwerfende Handbewegung. »Dann lassen wir's lieber.« Ich wandte mich an Tucker Peckinpah und fragte hoffend: »Zufällig hier unterwegs?«
Der rundliche Peckinpah nahm die dicke Zigarre aus dem Mund und schüttelte den Kopf. Sein Haar war stark gelichtet. Für sein Alter aber war dieser Mann noch erstaunlich gut in Form. Er war immerhin schon sechzig.
»Boram hat mir eure Route verraten«, sagte der Industrielle.
»Der verflixte Nessel-Vampir kann nichts für sich behalten«, sagte ich mit gespielter Empörung.
»Sie können mir glauben, ich hätte Ihre Radtour nicht gestört, wenn's nicht wichtig wäre, Tony«, sagte Tucker Peckinpah ernst.
»Was gibt's, Partner?« fragte ich.
Der Industrielle sah mich düster an. »Ich brauche Ihre Hilfe, Tony. Es ist etwas Schreckliches geschehen.«
»Was?« wollte ich wissen.
»Das erzähle ich Ihnen auf der Fahrt.« Peckinpah bat Cruv, den Kofferraum aufzuschließen.
»Ich habe mich schon so lange auf diese Radtour gefreut«, protestierte Jubilee. »Ich will jetzt nicht mit dem Auto heimfahren.«
»Wie es aussieht, kann ich leider nicht bei euch bleiben«, sagte ich.
»Dann beenden eben Vicky und ich die Tour allein«, sagte Jubilee. »Wir brauchen dich nicht als Kindermädchen. Wir können selbst auf uns aufpassen.«
»Wir schaffen die Tour wirklich auch allein, Tony«, sagte Vicky.
»Na schön«, sagte ich. »Dann sehen wir uns zu Hause.« Ich verfrachtete mein Fahrrad im Kofferraum des Rolls und setzte mich in den Fond.
»Verkehrsregeln beachten!« rief ich grinsend hinaus.
Tucker Peckinpah nahm neben mir Platz, und Cruv schwang sich hinter das Steuer. Wieder einmal fragte ich mich, wie der Gnom es schaffte, mit seinen kurzen Beinen an die Pedale zu kommen. Er mußte dafür einen besonderen Trick anwenden. Vielleicht besaß er Teleskopbeine, und wir wußten es nicht.
Als Cruv losfuhr, fragte ich den Industriellen: »Wohin geht die Fahrt?«
Mein Partner öffnete die Hausbar und goß mir einen Pernod ein. Er reichte mir das Glas mit den Worten: »Unser Ziel ist Greenaway Manor.«
***
Es stimmte: Esther Suzman war schwanger, und von da an berührte ihr Mann sie nicht mehr. Er schien erreicht zu haben, was er wollte. Das Kind war gezeugt.
Ein Kind des Bösen!
Dr. Suzman widmete seiner Forschungsarbeit immer mehr Zeit. Manchmal sah ihn Esther tagelang nicht. Sie lebte ein einsames Leben, wußte oft nicht, ob ihr Mann im Haus oder ob er ausgegangen war. Zumeist bekam sie das erst mit, wenn sie ihn heimkommen sah.
Er bestand auf getrennten Schlafzimmern, und seine Freundlichkeit verflachte immer mehr. Esther schien für ihn nur noch einen Zweck zu erfüllen: sein Kind auszutragen und zur Welt zu bringen.
Er war schon ungemein gespannt zu sehen, was er damals in jener finsteren Nacht gezeugt hatte. Würde das Kind so aussehen wie er, als er mit Esther schlief?
Oder würde es normal aussehen wie alle Kinder?
Eines stand auf jeden Fall fest: Innerlich würde es nicht so sein wie die anderen Kinder. Es würde den Keim des Bösen in sich tragen und mit seiner Magie Einfluß auf seine Umgebung nehmen.
Es würde für Leid, Not und Krankheit sorgen, ohne daß jemand das Kind damit in Zusammenhang bringen würde. Das Böse würde im Verborgenen blühen und völlig unbemerkt die Menschen peinigen.
Dr. Suzman unternahm große Anstrengungen, um sich in seiner Arbeit zu vervollkommnen. Er gierte nach immer mehr Kraft, nach einer immer größeren und konzentrierteren Dosis.
Die magische Droge kontrollierte ihn völlig, und er bildete sich ein, sie ebenfalls zu beherrschen. Er dachte, es wäre schon Kontrolle, wenn er nach Belieben sein Aussehen verändern konnte.
Mal war er dieses furchterregende Monster, mal der gutaussehende, harmlos wirkende Dr. Suzman. Oft behielt er sein monsterhaftes Aussehen über mehrere Stunden bei, und wenn es nötig war, verwandelte er sich im Handumdrehen zurück.
Die Entwicklung erstreckte sich über Monate, war jedoch nicht aufzuhalten.
Eines Nachts war es dann soweit: Die Mordlust erwachte in Dr. Dave Suzman!
Ruhelosigkeit erfaßte ihn. Die rote Glut in seinen Augen hatte noch nie so hell geleuchtet. Er braute sich wieder eine starke magische Essenz. Die Wirkung der Droge war nicht mehr schmerzhaft für ihn. Er hatte sich an das Brennen, Stechen und Reißen gewöhnt.
Gierig leerte er die Eprouvette und warf sie achtlos auf den Boden. An der Wand hing ein Spiegel, und ein grauenerregendes Ungeheuer
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