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105 - Trank des Verderbens

105 - Trank des Verderbens

Titel: 105 - Trank des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.F.Morland
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starrte ihm daraus entgegen.
    Er war elegant gekleidet, trug einen schwarzen Umhang, der innen dunkelrot gefuttert war. Die Rüschen des weißen Hemds bauschten sich unter seinem Kinn, das von einem struppigen Bart bedeckt war.
    Er dachte an Esther. Wenn er sich ihr so gezeigt hätte, wäre sie in Ohnmacht gefallen und hätte sein Kind verloren. Sie war schon hochschwanger. Bald würde sie niederkommen, und was dann das Licht der Welt erblickte, würde den Menschen keine Freude bescheren.
    Bevor er das Laboratorium verließ, nahm er sein gewohntes Aussehen an. Dann stahl er sich aus dem Haus, war so leise, daß ihn Esther nicht hören konnte.
    Vor geraumer Zeit schon hatte er sich eine Geliebte zugelegt. Anne Louise Cunningham war ihr Name, und sie arbeitete in einem Lokal, das einen zweifelhaften Ruf hatte, aber das störte Dr. Suzman nicht.
    Es machte ihm auch nichts aus, daß Anne Louise mit jedem ins Bett ging, der dafür bezahlte, und daß sie einen Zuhälter hatte. Sie war ein Mädchen genau nach seinen Wünschen, war verdorben, zierte sich nicht und machte alles, was er von ihr verlangte.
    Heute nacht begab er sich nicht nur zu ihr, um sich von ihr verwöhnen zu lassen. Heute nacht sollte mehr passieren.
    In dieser Nacht sollte Anne Louise Cunningham sterben!
    ***
    »In Greenaway Manor geht es nicht mit rechten Dingen zu, Tony«, sagte Tucker Peckinpah. Er sog an seiner Zigarre. Der Rauch wallte genau auf mich, den Nichtraucher, zu. Peckinpah bemerkte es, wedelte mit der Hand und murmelte: »Entschuldigen Sie.« Dann warf er die Zigarre aus dem Fenster.
    »Ich komme einige Zeit auch ohne aus«, brummte er.
    Ich nahm einen Schluck vom Pernod.
    Tucker Peckinpah informierte mich, wie er zu Lord Hugh Greenaway stand beziehungsweise gestanden hatte, denn der Mann lebte nicht mehr, und darum ging es in meinem neuen Fall.
    Jedenfalls rechnete ich damit, daß dies mein neuer Fall war. Der Pernod rann warm in meinen Magen und verbreitete ein angenehmes Gefühl in meinem Körper.
    Unangenehm war das, was mir Tucker Peckinpah zu erzählen hatte, obwohl er sich größtenteils auf Andeutungen beschränkte. Er sagte, er wolle nicht vorgreifen, und ich drang nicht in ihn.
    Als wir Greenaway Manor erreichten, hielt Cruv den Rolls an. »Da wären wir«, sagte der Kleine.
    Das alte Haus sah aus wie eine düstere Trutzburg. Es warf einen besitzergreifenden Schatten auf uns, und mir kam vor, als wäre dieser Schatten dunkler als normal, aber das konnte sich natürlich nur um eine Einbildung handeln.
    Die Ostfront war mit Efeu bewachsen, und ich hatte noch nie so viele dämmrige Erker gesehen. Wenn mir jemand gesagt hätte, daß sich hier das Böse eingenistet hatte, wäre es mir nicht schwergefallen, ihm zu glauben.
    Der Butler und seine Schwester, Harold und Janet Fraser, öffneten uns mit ernsten, traurigen Mienen. Sie ließen uns ein, und wir begaben uns in den Salon, nachdem mir Tucker Peckinpah die Stelle gezeigt hatte, wo der Lord gelegen hatte.
    Inzwischen war er fortgebracht worden, und die Haushälterin und ihr Bruder zeigten eine tiefe, ehrliche Trauer. Der Lord war ein angenehmer, nachsichtiger Arbeitgeber gewesen. Das sagten sie nicht nur deshalb, weil man über Tote nicht schlecht reden soll.
    Der Salon war in dumpfe Farbtöne gehalten. Vor den hohen Fenstern hingen schwere Gardinen, die das Tageslicht stark filterten und nur ein vages Dämmern hereinließen.
    Davon, daß draußen ein herrlicher, sonniger Tag war, bemerkte man hier drinnen kaum etwas.
    Harold fragte mich, ob ich etwas trinken wolle. Mir reichte der Pernod, den ich während der Fahrt getrunken hatte, deshalb lehnte ich dankend ab.
    Über dem offenen Kamin hing ein schwerer venezianischer Spiegel, in dem ich mich selbst sah.
    Was war das? Hatte ich einen roten Punkt auf der Stirn? Ich wischte darüber, und der Punkt war weg.
    Was man sich alles einbilden kann. Ich setzte mich in einen weichen Ledersessel und legte meine Hände auf die Holzlehnen.
    Tucker Peckinpah und Cruv nahmen in meiner Nähe Platz. Janet und Harold Fraser blieben stehen.
    Der Industrielle zog die Luft ein und blickte sich mißtrauisch um. »Irgend etwas ist hier nicht in Ordnung. Mein Freund, Lord Greenaway, spürte das, deshalb rief er mich an. Ich weiß nicht genau, was er von mir wollte. Er sagte nichts Genaues. Ich spürte lediglich, daß er Angst hatte und mich gern bei sich gehabt hätte. Leider kam ich zu spät.«
    »Er stürzte also über die Treppe zu Tode«, sagte ich.

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