1051 - Als Verfluchte grüßen...
bereits mit dem Einsatzleiter gesprochen. Man wird auf uns zukommen, wenn noch Fragen zu klären sind. Ansonsten ist es ja unser Fall.«
Ich verzog die Mundwinkel. »Zum Glück ist es unser Fall geworden, und ich hoffe, daß wir noch etwas retten können. Leider nicht hier, sondern in Tunesien…«
***
»Tunesien?« fragte Sir James, als wir ihm berichtet hatte, was uns widerfahren war.
»Ja, Sir.«
Er nahm es mit einem gewissen Humor. »Zum Glück ist es nicht Libyen oder der Irak. Da hätten wir dann echte Probleme bekommen. Sie halten den Fall also für brandheiß?«
»In der Tat, Sir, und wir sehen auch noch beide eine Chance, die Kinder zu retten. Wir haben eine Galgenfrist. Ich gehe davon aus, daß sie vierundzwanzig Stunden beträgt. Es ist also Eile geboten. Wir müssen hin.« Ich blickte unseren Chef besorgt an. »Wie steht es mit den Beziehungen zu diesem Land?«
»Ich denke, daß sich da etwas machen läßt.«
»Auch auf die Schnelle?«
»Das wird schwierig sein. Aber Tunesien ist auch nicht Algerien. Ich könnte mir vorstellen, daß es eine bilaterale Zusammenarbeit geben kann. Das wird über das Außenministerium geschehen. Doch das sind nicht Ihre Probleme. Wie haben Sie sich Ihr Vorgehen vorgestellt, wenn Sie dann eingereist sind?«
»Wir müssen nach Salambo. Eine alte ausgegrabene Stadt, südlich von Karthago. Wir gehen davon aus, daß die Kinder dort geopfert werden sollen.«
»Warum gerade dort?«
»Es kann sich um eine uralte phönizische Kultstätte handeln. So genau kenne ich mich da auch nicht aus. Das alles werden wir dann vor Ort erleben können.«
Sir James lächelte. »Ich kenne mich in der Geographie des Landes nicht so gut aus. Wie weit liegen Karthago und Salambo auseinander?«
»Man kann hinspucken.«
»Holen Sie sich trotzdem einen Wagen von Tunis aus.«
»Beide Städte liegen in Küstennähe. Karthago hat ja nun den wichtigsten Hafen damals schon besessen. Er war wichtig für die Expansionsgelüste von Hannibal und Co.«
Sir James wechselte das Thema. »Was will Baal?«
»Die Kinder, Sir!«
Der Superintendent bekam einen Schauer. »Das ist mir auch klargeworden, John. Ich frage mich nur, warum er die Kinder will. Was hat er mit ihnen vor? Sie sollen ihm geopfert werden. Dafür muß es doch einen verdammten Grund geben, auch wenn wir ihn mit unserem normalen Denken und den menschlichen Skrupeln nicht nachvollziehen können.«
»Den gibt es auch«, sagte Suko. »Wir werden ihn nicht hier in London herausfinden, sondern unten vor Ort.«
»Es ist dann okay.« Er blies den Atem aus und trank sein zur Hälfte mit Wasser gefülltes Glas leer. »Es ist am besten, wenn Sie nach Hause fahren und sich zum Schlafen hinlegen. Der nächste Tag wird sicherlich anstrengend werden. Auch wenn es sehr spät ist, versuche ich, meine Beziehungen spielen zu lassen. Ich werde mich mit dem Außenministerium in Verbindung setzen und über diesen Kontakt alles versuchen. Wir sehen uns dann noch später.«
»Danke, Sir.«
Wir standen beide auf. Sir James blieb noch sitzen. Er sah sehr grüblerisch aus. »Bitte, meine Herren, versuchen Sie alles, um die Kinder zu retten. Ich bitte Sie inständig darum. Mehr kann man wohl in diesem Fall nicht tun.«
»Sie können sich auf uns verlassen, Sir.«
Es war eine schwere Geburt gewesen, das wußten wir. Die Uhr zeigte nach Mitternacht an, als wir den Rover in der stillen Tiefgarage abstellten und danach hochfuhren.
Shao war noch wach. Sie hatte auf uns gewartet. Aus etwas übermüdet wirkenden Augen schaute sie uns an und schnüffelte, weil ihr auffiel, daß unsere Kleidung nach Rauch roch.
»Was ist denn mit euch passiert?«
»Hast du ein Bier?« fragte ich.
»Sicher, im Kühlschrank.«
Ich brauchte jetzt einen Schluck und holte mir eine Dose. Ein Glas nahm ich nicht. Als ich ins Wohnzimmer zurückkehrte, war Suko dabei, seiner Partnerin fast alles zu erzählen. Shaos Gesicht zeigte Entsetzen. Ihre Augen wirkten fast doppelt so groß.
»Kinder?« fragte sie, als ich mich niederließ.
»Ja, leider.«
»Aber das ist grauenhaft!«
»Du sagst es, Shao. Aber leider nicht zu ändern. Ida Cobin hat es ja selbst erzählt. Ach so, da wir gerade von ihr sprechen, was ist mit ihr passiert?«
»Sie wollte ja zurück in ihre Wohnung.«
»Da ist sie noch immer?« fragte Suko.
»Ich denke schon. Einmal hat sie angerufen und gefragt, ob wir ihren Sammy gefunden haben. Leider konnte ich ihr keine positive Antwort geben. Sie hat dann wieder geweint.«
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