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1052 - Die Nekropole

1052 - Die Nekropole

Titel: 1052 - Die Nekropole Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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nicht. Dafür Sukos Rücken, der mir zumindest einen Teil des Wegs frei bahnte.
    Dann erreichten wir eine Kreuzung. Zumindest so etwas Ähnliches. Rechts und links zweigten zwei schmale Gassen ab. Nicht mehr als Einfahrten, deren Ende allerdings nicht abzusehen war.
    Zwischen diesen Mauern war es noch düsterer.
    Suko war stehen geblieben. Er bewegte seinen Kopf in verschiedene Richtungen wie jemand, der sich nicht sicher war, wohin sein Feind sich gewandt hatte.
    »Hast du ihn endgültig verloren?« fragte ich.
    »Wenn ich das wüßte.«
    Auch an dieser Stelle war der Trubel kaum geringer geworden. Er hatte sich anders verteilt, denn die Besucher gingen nicht nur in eine Richtung weiter.
    Jemand trat auf uns zu und bot uns Uhren an. Dabei breitete er seinen offenstehenden Mantel aus. Ich schob den Knaben zur Seite und schaute über die meisten Köpfe hinweg. Wenn wir den Jungen nicht bald wiederfanden, hatten wir ihn verloren.
    Diesmal entdeckte ich ihn.
    Er stand vor einer dunklen Fassade in der rechten Seitengasse. Die helle Kleidung hob sich dort besonders gut ab. Er wirkte wie jemand, der auf etwas wartet. In diesem Fall konnten nur wir das sein. Er wollte uns locken. Er spielte mit uns. Wahrscheinlich stand die Tür der Falle schon weit offen.
    Suko brauchte ich nichts zu sagen. Er hatte bereits an meinem Blick erkannt, was los war. »Okay, John, diesmal brauchen wir wohl nicht zu laufen.«
    Der Junge schaute uns entgegen und sah uns sicherlich auch. Zumindest ich überragte die meisten Besucher. Wir drängten andere Passanten zur Seite und schoben uns dann in die Gasse hinein, die hier genau an der Kreuzung begann.
    Es war ein völlig anderes Gefühl für uns. Die Hektik blieb zurück.
    Obwohl diese Gasse nicht menschenleer war, verlor sie jeden Vergleich zu dem üblichen Trubel. Es gab kaum Geschäfte. Zumindest keine, die stark besucht wurden. Hausfassaden. Manche hell getüncht. Andere waren mit einer dunklen Patina überzogen wie die, vor der der Junge stand. Wir gingen an Fensteröffnungen vorbei, die keine Scheiben aufwiesen. Aber wir sahen Gesichter in den Ausschnitten. Frauengesichter. Manche geheimnisvoll verschleiert. Nur die Augen lockten mit bestimmten, auf Männer abgerichteten Blicken.
    Andere Gesichter waren grell geschminkt. Perücken saßen auf den normalen Haaren. Was hier geraucht wurde, waren keine normalen Zigaretten. Das Zeug roch anders.
    Es gab keinen Irrtum. Wir waren in einem kleinen Bordell gelandet. Ob legal oder illegal brauchte uns nicht zu interessieren. Rotes Licht jedenfalls sahen wir nicht.
    Ich hatte manche Gesichter gesehen. Sie waren wie Schemen vorbeigeglitten, denn die Konzentration auf den angeblichen Jungen hatte für uns Vorrang.
    Er blieb stehen.
    Er ließ uns kommen. Und er sah aus wie jemand, der sich seiner Sache sehr sicher ist. Mit der rechten Schulter lehnte er an der Hauswand. Eine schon coole Haltung, die uns möglicherweise provozieren sollte.
    Mehr als die Hälfte der Distanz hatten wir bereits hinter uns gelassen, und der Junge rührte sich immer noch nicht. Es war hier zwischen den Mauern dunkler als in den übrigen Straßen. Die Eingänge zu den Häusern glichen düsteren Löchern, hinter denen alle Gefahren der Welt zu lauern schienen.
    Von irgendwoher hörten wir Musik. Seltsamerweise einen Wiener Walzer. Eine Frau lachte. Ein Mann schimpfte mit kehlig klingenden Worten. Ein Telefon klingelte.
    Meine Sinne hatten sich geschärft. Ich nahm auch weiter entfernte Laute deutlicher wahr, doch mein Blick blieb einzig und allein auf dem ›toten‹ Jungen haften.
    Er war es. Ich war mir sicher. Dazu hatte ich ihn zu genau oben im Zimmer sehen können. Seinen Körper bewegte er nicht. Auch in seinem Gesicht tat sich nichts. Es blieb so starr wie ich es aus dem Hotelzimmer her in Erinnerung hatte.
    Die nächsten Schritte würden es bringen. Da mußte sich entscheiden, ob er hier tatsächlich auf uns gewartet hatte oder weiterlaufen würde. Wenn das eintrat, waren wir schnell genug, um ihn packen zu können, denn hier hinderten uns keine Besucher an der Verfolgung.
    »Wenn wir es schaffen«, flüsterte Suko mir zu, »nehmen wir ihn in die Zange.«
    Ich kam um eine Antwort herum, denn der namenlose Junge bewegte sich, ohne vorher etwas durch eine Geste oder durch ein Wort angekündigt zu haben.
    Sehr schnell drehte er sich um. Er ging den ersten Schritt. Für uns sah diese Bewegung so anders aus. Der Junge schien im Mauerwerk zu verschwinden, was natürlich nicht

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