1052 - Die Nekropole
weniger wichtigen Leuten. Da liegt es auf der Hand, daß hin und wieder Informationen ausgetauscht werden, die auch mich interessieren. Sie verstehen, was ich meine?« Sein Lächeln hinter den Rauchwolken, die hier schwer abzogen, sprach Bände.
Ich stimmte ihm zu. »Wissen ist eben Macht. Besonders in unserem Job, Monsieur La Roche. Wir hoffen, unser Wissen heute Abend erweitern zu können.«
»Es sei Ihnen vergönnt. Setzen Sie eigentlich voll und ganz darauf, den Fall bei den alten Stätten lösen zu können?«
»Es gibt keinen anderen Hinweis«, sagte ich.
»Dort soll sich der verschwundene Junge aufhalten?«
»Wir gehen davon aus.«
La Roche drückte seinen Glimmstängel in einem Messingascher aus. »Ich mag da etwas naiv sein, so richtig verstehen kann ich Sie nicht, wenn ich ehrlich bin. Diese alten Hafenanlagen sind ausgegraben worden, zusammen mit der Nekropole. Sie sind eine alte, große Grabstätte, das gebe ich gern zu, aber ihre Zeit ist seit langen, langen Jahren vorbei. Wenn man Sie so hört, könnte man meinen, daß Sie davon ausgehen, sie wieder in Betrieb zu finden.«
»Das könnte zutreffen«, sagte ich.
»Meinen Sie…«
Seine Worte deuteten an, daß ich nachsetzen sollte, was ich auch tat, ohne jedoch zu konkret zu werden. »Wir leben in einer Zeit, in der die Menschen immer wieder auf einer neuen Sinnsuche sind. Ich persönlich halte davon nicht viel, muß mich aber den Tatsachen stellen. Bei dieser neuen Sinnsuche spielt die Vergangenheit eine sehr große Rolle. Man hat sie nicht vergessen. Es gibt noch genügend Aufzeichnungen und Hinweise, gerade durch die Funde. Man erinnert sich auch wieder an die alten Götter. Sei es nun an die der Ägypter, der Phönizier oder meinetwegen auch der Sumerer oder der alten Israeliten.«
»Ah – verstehe, Monsieur Sinclair. Sie meinen also, daß die heutigen Menschen sich wieder auf die Götter oder Götzen besinnen. Daß es doch etwas gegeben hat, das man nicht nur in die Bereiche der Märchen und Legenden verbannen kann.«
»Genau erfaßt, Monsieur La Roche.«
»Und Sie haben schon die entsprechenden Erfahrungen sammeln können?«
»In anderen oder ähnlichen Bereichen schon«, gab ich zu.
Hassan brachte unsere Getränke. Drei Tassen hatte er mit Kaffee gefüllt. Die Kanne stellte er zu uns auf den Tisch. Eine heiße Platte hielt den Kaffee warm.
Er wünschte uns, daß es uns gut bekam, und zog sich wieder in seinen Bereich zurück.
Wir probierten und waren so freundlich, den Kaffee zu loben, obwohl Glendas Kaffee… aber lassen wir das. Das hatten wir schon mal.
»Alte Götzen.« La Roche nahm das Thema wieder auf.
»Baal«, sagte ich. »Einer der wichtigsten Götzen der Phönizier, obwohl er auch in anderen Kulturen verehrt wurde. Aber hier hatte er seinen Ursprung, bevor sein Name dann weiterwanderte. Der Name ist außerdem eines der ersten Pseudonyme, denn den richtigen Namen kennen oder kannten nur wenige Vertraute. Er wurde bei den Phöniziern als so heilig betrachtet, daß man es nicht einmal wagte, ihn auszusprechen. Er hatte mit den ändern Göttern der tiefen und finsteren Gewässer um die Vorherrschaft gekämpft und gewonnen. Aber er führte ständig Krieg, besonders gegen seinen Feind Mot. Er gewann, starb aber trotzdem später und wurde durch das Eingreifen seiner Schwester Anat wieder zum Leben erweckt.«
Hamed La Roche nickte mir anerkennend zu. »Sie wissen so einiges, Monsieur Sinclair.«
»Es hält sich in Grenzen, ehrlich. Aber man muß informiert sein, das wissen Sie selbst.«
»Stimmt. Aber welche Bewandtnis hat es mit den Kindern? Sind Sie darüber auch informiert?«
»Ich denke schon, muß mich allerdings allgemein halten. Götter und Götzen waren sehr hoch angesehen bei den Völkern. Man mußte sie gnädig halten. Deshalb wurden ihnen Opfer gebracht. Da machte auch Baal keine Ausnahme.«
»Ja, das ist klar.«
»Nur opferte man ihm Menschen«, sagte ich leise.
La Roche starrte mich an. »Auch Kinder?«
»Leider auch sie.«
La Roche schwieg. Ich hätte gern einen weiteren Kommentar von ihm gehört, aber er hielt sich zurück. Vielleicht aus Entsetzen, möglicherweise auch aus Berechnung.
Schließlich sagte La Roche: »Kinder als Opfer. Damals, Monsieur Sinclair. Aber heute…«
»Vieles kehrt zurück. Gerade in den letzten Jahren des ausgehenden Jahrhunderts. Sie sollten da wirklich alles ins Kalkül mit einbeziehen.«
»Das glaube ich Ihnen ja gern. Es ist nur für mich so schwer vorstellbar.«
»Das
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