1052 - Die Nekropole
Mund, dann stachen die Finger wie spitze Messer in seinen Hals, wo sie tiefe, blutende Wunden hinterließen.
Der Mann war im Nu tot.
Er zuckte mit den Füßen, dann sackte er in seiner liegenden Haltung zusammen und bewegte sich nicht mehr. Aus seinen Halswunden quoll die dunkelrote Flüssigkeit, doch dieses Bild wurde von der Finsternis verschluckt.
La Roche war weiter nach vorn gekrochen. Den Kopf hielt er etwas angehoben. Er wollte das Licht nicht aus den Augen lassen. Es waren zwei Lampen, die ihre nicht sehr breiten Strahlen nach vorn in die Höhle hineinschickten und bereits ein Ziel erreicht hatten.
Von seinem Platz aus sah La Roche den mit Kindern gefüllten Käfig, der genau über der Stelle des Bodens schwebte, in der Baal auf seine neuen Opfer lauerte.
Alles war vorbereitet worden. Baals Kreaturen standen bereit und hielten Wache.
Was konnte jetzt noch schief gehen?
La Roche wollte Hassan etwas zuflüstern. Sie mußten sich einen Plan zurechtlegen, um die beiden Männer auszuschalten. Einer stand sowieso nicht mehr zu weit von ihm entfernt und drehte ihm den Rücken zu. Er hatte noch nichts bemerkt. Der zweite hielt sich bereits in der Nähe des Käfigs auf, und dort stand auch der geisterhafte Junge.
»Hassan…«
Der Mann hätte das gezischelte Wort eigentlich hören müssen, aber er reagierte nicht.
Auch beim zweiten Versuch erhielt La Roche keine Antwort!
Er wollte nicht glauben, daß Hassan gekniffen und sich auf den Rückweg gemacht hatte. Das wäre wider alle Absprachen gewesen.
Nur – warum meldete er sich nicht?
La Roche hatte seine Sicherheit verloren. Er steckte in einer Zwickmühle und wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Was war richtig, was war falsch?
Da hörte er ein Geräusch.
Da er den Kopf inzwischen gedreht hatte, klang es vor ihm auf. Etwas knirschte auf dem Boden. Etwas brach auf. Er glaubte, in der Finsternis einen Schatten zu sehen, der zuerst noch klein war und auf dem Boden lag, dann aber wuchs.
Eine Gestalt?
Der Junge! Nur diese beiden Worte schossen ihm durch den Kopf.
Eine Sekunde später hörte er auch die Trittgeräusche. Der Tote, der Untote, wie auch immer hatte sich aus der Erde hervorgewühlt und war nun dabei, auf ihn zuzukommen. La Roche wusste es, doch er war nicht in der Lage, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Die Panik bestimmte seine Gefühle.
Er kam auf ihn zu. Es war genau zu hören. La Roche nahm jedes Geräusch überdeutlich wahr. Aus seinen Poren drang der Schweiß in wahren Strömen. Daß er noch die Luger in der rechten Hand hielt, kam ihm nicht mehr zu Bewusstsein. Die andere Gefahr war viel schlimmer, obwohl er sie nicht sah.
Was tun? Schießen? Die Flucht versuchen? Um Hilfe bitten? La Roche war nicht in der Lage, innerhalb einer dermaßen kurzen Zeitspanne die richtige Entscheidung zu treffen.
Er brachte nur noch eines fertig. Nahm seine letzten Kräfte zusammen und stemmte sich hoch.
Da hatte ihn der Junge erreicht. Eine Bewegung, ein helleres Schattenspiel dicht vor ihm, und einen Moment später griff die Gestalt zu.
Diesmal benutzte er zwei Hände, und La Roches Hals steckte fest wie in einem Schraubstock.
In dieser Situation war ihm alles egal. Er wollte schreien, er wollte schießen, er wollte alles Mögliche tun, doch das andere Wesen war stärker.
Hamed La Roche kam zu nichts mehr. Die verdammten Finger waren auch hier wie Messer. Von zwei verschiedenen Seiten bohrten sie sich in den Hals.
La Roche starb im Stehen!
Als wäre die andere Gestalt in der Lage, Bescheid zu wissen, wartete sie noch einen Moment, um sicherzugehen, dann ließ sie den Mann los. Hamed La Roche fiel ineinander. Während er nach unten sackte, bewegte sich in seiner Nähe ein Lichtstrahl und erfasste den nach unten sinkenden Körper…
***
Suko stand weiter vom Ort des Geschehens entfernt als sein Freund John Sinclair. Er war von dem Bild fasziniert und abgestoßen zugleich. Er wußte auch, daß die Rückkehr des Götzen nicht mehr lange auf sich warten lassen würde, aber er war trotz dieses Wissens unfähig, etwas dagegen zu unternehmen.
Auch John tat nichts. Er schaute zum Käfig hin, wo die vier Kreaturen die Kinder bewachten. Suko sah den Jungen, dessen Gestalt so leicht über den Boden hinwegschwebte. Er glaubte daran, daß er eingreifen würde, und wartete auf den entscheidenden Moment.
Suko befand sich in keiner lebensgefährlichen Lage, aber sein Gefühl sagte ihm, daß etwas in der Luft lag und es nicht mehr lange gut
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