1053 - Die Rache der Geköpften
damit war ihr freie Bahn in das Innere des Autos gestattet.
Die Frau war einfach nicht in der Lage, die Scheibe zu schließen.
Sie stand unter einem gewaltigen Druck. Ihr Inneres war ein Kessel, in dem es kochte und siedete. Das Gesicht hatte sich längst gerötet.
Der Schweiß lag dick auf ihrer Stirn, und das Herz schlug viel schneller und härter als sonst.
Larissa Larkin wartete förmlich auf den Moment, in dem die Masse sich zeigte. Sekunden nur konnte es noch dauern, dann…
Und sie kam.
Das rote Zeug schob sich über den Rand des Fensters hinweg. Im ersten Augenblick sah es so aus, als wollte es sich tatsächlich in den Wagen hineindrängen. Das allerdings täuschte, denn die Masse stieg auch weiterhin in die Höhe. Sie sah aus wie ein dicker roter Schlauch, der am oberen Ende doch anders aussah, weil sich innerhalb dieses Zeugs etwas abmalte.
Larissa zwinkerte. Sie wußte nicht, ob sie sich getäuscht hatte.
Denn was sie dort sah, das konnte sie einfach nicht glauben. Das war zu schrecklich und zu unerklärlich.
Die Masse stieg nicht weiter. Sie hielt inne. Wie jemand, der einen entsprechenden Befehl bekommen hatte. Es war eine Schlange aus einem Stoff, mit dem Larissa nicht zurechtkam. Etwas völlig Neues.
Vielleicht eine Abart aus der Genfabrik, in der auch sie arbeitete.
Möglich war alles, auch wenn sie es rational nicht erfassen konnte.
Es war ein harter Zwang, der sie gefangenhielt und dafür sorgte, daß sie nur auf eine Stelle dieser hochsteigenden Masse schaute.
Und zwar auf das Ende, auf die Spitze, die gar nicht spitz war, sondern leicht abgerundet.
Dort malte sich innerhalb der Masse etwas ab.
Ein Gesicht?
Larissa Larkin erschrak über ihre Gedanken, aber es war tatsächlich so.
Ein stilisiertes Gesicht. Zwei Augen, ein Mund, eine angedeutete Nase. Rot schimmernd, aber jetzt mit einem gelblichen Farbton unterlegt, damit die Kontraste deutlicher hervortreten konnten.
Das Gesicht sollte erkannt werden.
Und Larissa erkannte es.
Es gehörte einem Toten, einem Geköpften.
Es war das Gesicht des Igor Manski!
***
Dieser Augenblick der Wahrheit war selbst für eine Frau wie die Wissenschaftlerin furchtbar. Sie kam damit einfach nicht zurecht. Ihr fehlte jegliche logische Bindung. Sie wünschte sich weit fort. Zaubern konnte sie nicht, und deshalb blieb sie wie angeschmiedet auf ihrem Platz hocken. Ihre gedankliche Welt war erfüllt von einer tiefen Furcht vor einer Sache, für die sie keine Erklärung wußte.
Wieso kam das Gesicht eines Toten in diesen verdammten Schleim hinein?
Eine Antwort konnte sich Larissa nicht geben. Sie war einfach gezwungen, es zu akzeptieren. So starrte sie auch weiterhin auf das ihr unerklärlich erscheinende Gebilde.
Ihr war klar, daß es etwas von ihr wollte. Sie möglicherweise töten, um einer Rache frönen zu können. Wenn es so reagierte wie eine Schlange, dann war es ihm ein Leichtes, sich um den Hals der erstarrt dasitzenden Frau zu wickeln.
Es passierte nicht.
Dafür bekam Larissa einen zweiten Schock, der sie nicht weniger tief traf als der erste.
Sie hörte eine Stimme!
Nein, nicht nur irgendeine, das war die Stimme des toten Igor Manski, die an ihre Ohren drang. Sie hatte lange genug mit ihm zusammengearbeitet, um es zu wissen. Er sprach zu ihr, ohne daß er in der Nähe gewesen wäre. Abgesehen von seinem Gesicht, das sich in dieser Masse abzeichnete.
Sie hatte die ersten Worte gehört und dachte noch einmal darüber nach. Mit einem sehr weich klingenden Guten Abend war sie begrüßt worden. Deutlich hatte sie es gehört, aber es war ihr noch immer unbegreiflich, und sie war auch nicht in der Lage, eine Antwort zu geben. Es wäre ihr auch blöde vorgekommen.
»Warum sagst du nichts?«
Die zweite Frage. Kein Irrtum. Es war auch die gleiche Stimme.
Oft genug hatte sie mit Igor Manski gesprochen. Diesmal gab sie eine Antwort, auch wenn sie ihr naiv oder dumm vorkam.
»Wer bist du?«
Sogar leise lachen konnte die Masse. »Warum fragst du das? Weißt du das nicht? Kennst du mich nicht mehr?«
»Manski? Bist du wirklich Igor Manski? Aber der… der ist doch tot, verdammt.«
»Meinst du?«
»Ja! Ja! Ja!« schrie sie plötzlich und war froh, sich auf diese Art und Weise etwas Luft verschaffen zu können. »Ja, verdammt, du bist tot. Man hat dich geköpft. Ich weiß nicht, wer es tat, ich habe dich auch nicht gesehen, aber ich weiß, daß du nicht mehr am Leben sein kannst, verflucht noch mal!«
»Vielleicht irrst du dich,
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