1053 - Die Rache der Geköpften
mich bisher noch nicht gesehen, jetzt mußte sie mich als herannahenden Menschen erkannt haben. Es sah so aus, als wollte sie meinen Namen rufen, aber ihre Stimme versagte.
Das Beil schwang zurück.
Ich hatte noch zwei Stufen vor mir.
Die übersprang ich mit einem großen Satz. Landete vor der ersten, konnte nicht mehr stoppen, wurde nach vorn geschleudert und prallte gegen Larissa.
Es war wohl unser beider Glück. Zugleich flogen wir, und zugleich hatte der Kopflose auch zugeschlagen.
Es konnte Einbildung gewesen sein, aber ich glaubte sogar, die Klinge durch die Luft zischen zu hören. Zum Glück blieb es bei der Luft, denn das gewünschte Ziel traf sie nicht. Dafür hieb sie mit einem hellen Laut gegen die Wand, während wir längst auf dem harten Boden lagen und uns voneinander lösten.
Ob ich mich gestoßen oder geprellt hatte, das war egal. Ich merkte es nicht. Ich war voll konzentriert und kam mit einer Drehung wieder hoch.
Der Kopflose hatte das Beil zurückgezogen. Auf dem Boden bewegte sich zugleich eine schleimige Masse, die wenig später in diese Gestalt hineinglitt.
Ich konnte mit diesem Vorgang nichts anfangen. Er hatte mich auch überrascht, so daß ich in den folgenden Sekunden leider hilflos war. Die rote Masse war innerhalb der Gestalt in die Höhe gestiegen und hatte auch das obere Halsloch erreicht. Dort bildete sie ein Oval, in dem sich ein Gesicht abmalte, das Ähnlichkeit mit dem des Köpfers aufwies.
Er hob wieder sein Beil an.
Ich wußte im Moment nicht, was ich tun sollte und ging nur einen Schritt zurück.
Der Tip kam von Suko. »Luzifer!« schrie er.
Mehr brauchte er nicht zu sagen. Es war ein Hinweis, wer dahintersteckte.
So schnell wie selten hatte ich mein Kreuz aus der Tasche. Wenn es die Hölle war, dann würde auch das Kreuz seine Gegenkraft abgeben, denn durch es war die Hölle besiegt worden.
Er holte wieder aus. Jetzt hielt er den langen Griff des Beils mit beiden Händen fest. Alles wies darauf hin, daß er mir den Schädel abtrennen wollte.
Ich hatte ähnliche Situationen schon erlebt, war auch wehrloser gewesen, diesmal aber nicht.
Bevor er mich angreifen konnte, sprang ich auf ihn zu. Es sah so aus, als wollte ich ihn umarmen wie eine Geliebte. Ich spürte auch den rauhen Stoff des Mantels unter meinen Händen, aber das Kreuz tauchte ich hinein in das rote Oval.
Ich hatte genau das Richtige getan!
Innerhalb eines Herzschlags veränderte sich alles. Plötzlich zuckte die Gestalt unter meinem Griff. Zugleich brannte sie in ihrem Innern ein Feuerwerk ab, denn die Masse zersprühte vor meinen Augen und jagte wie ein Funkenregen in die Höhe und gegen die Decke.
Ich sah nur das strahlende Leuchten des Kreuzes, nahm zugleich einen ekligen Geruch wahr, der aus den zusammenbrechenden Resten der Gestalt drang. Mit zwei Schritten war ich wieder zurückgewichen. Das mächtige Beil fiel zu Boden, blieb dort liegen, und die letzten Reste dieser mich an Blut erinnernden Masse zerstrahlten unter der Decke.
Zurück blieb ein stinkender, in eine Kutte eingehüllter, toter Körper.
Ich blieb für eine Weile stehen, mußte mich auch erst erholen und wachte wie aus einem Schlaf auf, als Larissa zu mir kam. Sie faßte nach dem Kreuz. »Darf ich es küssen?« fragte sie.
»Bitte.«
Sie tat es und weinte vor Erleichterung…
***
Wir hatten uns nicht mehr lange im Turmverlies aufgehalten, waren wieder ins Freie gegangen und freuten uns darüber, daß wir noch lebten. Wir waren diese Attacken und Fälle gewohnt. Larissa Larkin dachte anders darüber. Sie schwieg, schaute in die Ferne, hob hin und wieder die Schultern und hatte sich schließlich einigermaßen gefangen. Wir hatten den Eindruck, daß wir ihr jetzt Fragen stellen konnten. Damit fing ich an.
»Wie konnte es dazu kommen, Larissa?«
Die Wissenschaftlerin schaute mich an. »Gene, klonen, Magie, Luzifer!« Sie lieferte nur Stichworte. »Genaues weiß ich auch nicht. Aber es ist eine lange Geschichte.«
»Wir würden sie trotzdem gern hören.«
»Gut«, erwiderte sie nickend und fing von vorn an.
So erfuhren wir, was Manski angestellt hatte. Die ganze Wahrheit wußte auch Larissa nicht. Wir waren letztendlich froh, daß es ihn nicht mehr gab. So war eine Gefahr gestoppt worden. Aber die nächste würde nicht lange auf sich warten lassen…
ENDE
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