1055 - Das psionische Labyrinth
einem Meter Entfernung über ihn hinweggegangen - und er glaubte immer noch, seine Hitze auf der Kopfhaut zu spüren.
Nach einer Weile richtete er sich auf und musterte die Halle. Auf vielen Transportbändern bewegten sich langgestreckte hellgraue Kästen an robotischen Systemen vorbei, die irgend etwas mit ihnen taten. Als einzige Geräusche waren ein anund abschwellendes Summen und ein regelmäßiges Klink-Klonk zu hören. Menschen oder mobile Roboter konnte der Junge nicht ausmachen.
Er wischte mit dem Rücken der rechten Hand über seine Nase, dann fuhr er damit über das Hosenbein seiner Jeans. Ratlos sah er den Bewegungen der Robotsysteme und hörte er dem Klink-Klonk zu. Er war müde, durstig und hungrig und sehnte sich danach, sich an Dad zu kuscheln. Und er hatte schreckliche Angst. Noch schlimmer fast war die Verzweiflung darüber, daß es sein Freund Hamiller war, der ihn von Robotern zu Tode hetzen ließ.
Tränen rannen Oliver übers Gesicht. Er war nahe daran, aufzugeben und vom nächsten Interkomanschluß aus die Zentrale anzurufen. Sandra und Deneide würden ihm helfen.
Eigentlich war es seltsam, daß sie ihn nicht mehr über die Rundrufanlage aufgefordert hatten, in die Zentrale zu kommen.
Doch plötzlich wußte er, warum die Rundruflautsprecher geschwiegen hatten, seit er bei Sirtan gewesen war. Hamiller verhinderte, daß die Rundrufanlage funktionierte. Und plötzlich wußte Oliver auch, daß er niemals mit einem Interkom die Zentrale anrufen konnte. Hamiller würde keine Verbindung zustande kommen lassen.
Er schluchzte.
„Dad, hilf mir!" flüsterte er zwischendurch. „Dad, wo bist du?"
Ein Zischen ließ ihn zusammenfahren. Sein Kopf bewegte sich schnell nach links und nach rechts - und dann sah er sie.
Zwei Kampfroboter schwebten auf ihren Prallfeldkissen durch ein offenes Schott, das von ihm aus so klein wie ein Fenster aussah, in die Halle und über ein Lauf band. Oliver konnte nicht erkennen, ob sie wußten, wo er war, aber da sie sich in seine Richtung bewegten, mußte er das annehmen.
Er duckte sich hinter den Deckel und sah sich um. Den Belüftungsschlitz würde er nicht erreichen, bevor die Roboter da waren, und in seiner Nähe gab es nur ein ganz normales Schott. Wenn er es benutzte, mußten die Roboter es bemerken. Dann brauchten sie nur andere Roboter zu alarmieren, und er kannte sich gerade hier nicht gut genug aus, um einer Umzingelung zu entgehen.
Er brauchte Hilfe, wenn er überleben wollte.
Verzweifelt zerbrach er sich den Kopf, aber die Furcht ließ ihn keinen klaren Gedanken fassen. Das Summen und das Klink-Klonk der Robotsysteme entnervte ihn zusätzlich.
In seiner Verzweiflung und Verwirrung verfiel er auf einen Gedanken, auf den nur ein Kind kommen konnte, das sich stärker nach seinen Gefühlen als nach logischen Gedankengängen richtete - ganz im Gegenteil zu einem Erwachsenen.
Er fühlte, daß ihm nur einer helfen konnte: Hamiller. Und er klammerte sich an die Hoffnung, daß Hamiller darauf verzichten würde, ihn umzubringen, wenn er nur merkte, wie sehr er sich davor fürchtete.
Auf allen vieren kroch er zum Schott, dann richtete er sich auf. Sofort glitten die Schotthälften auseinander. Oliver sprang durch die Öffnung und schrie voller Entsetzen, als hinter ihm zwei Strahlbahnen die sich schließenden Schotthälften aufglühen und schmelzen ließen.
Er überschlug sich zweimal, dann raffte er sich auf und rannte zum nächsten Interkomanschluß in einer Wandnische. Ein Fingerdruck aktivierte das Gerät.
„Hamiller!" rief Oliver kläglich.
Der Bildschirm wurde hell und zeigte ein zitterndes grünes H.
Oliver schluchzte erleichtert auf.
„Du siehst mich, Hamiller!" rief er. „Ich bin Oliver, der kleine Olli-Bolli, dein Freund.
Warum willst du, daß ich sterbe, Hamiller? Die Roboter sind hinter mir her. Sie bringen mich um. Hilf mir, Hamiller!" Mehr brachte er nicht heraus. Er konnte nur noch weinen.
Als er eine Bewegung spürte und als es gleich darauf fast dunkel wurde, hörte er auf zu weinen und hob den Kopf.
Er sah, daß er immer noch vor dem Interkomanschluß stand und daß der Interkom aktiviert war. Die grüne Kontrolllampe leuchtete. Allerdings war der Bildschirm erloschen.
Oliver drehte sich um.
Es gab keinen Korridor mehr hinter ihm - und folglich auch keine Roboter mehr, die ihn verfolgten.
Nach einigen Sekunden der verschiedensten Gefühle wußte Oliver, was geschehen war.
Jeder Interkomanschluß außerhalb geschlossener Räume war
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