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1059 - Der Scharfrichter

1059 - Der Scharfrichter

Titel: 1059 - Der Scharfrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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ein seltsames Mittelding zwischen Abwehr und Erwartung. Ich ging einfach davon aus, daß ich nicht allein war, obwohl ich keine andere Person in meiner Umgebung sah. Irgendwo hielt sich jemand verborgen, möglicherweise auch in der Hütte, deren Inneres schließlich groß genug war.
    Die Entscheidung wurde mir abgenommen, und man überraschte mich auch damit.
    Jemand räusperte sich.
    Nicht außen, in der Hütte.
    Der Scharfrichter?
    Es wäre schon ungewöhnlich gewesen, und ich mußte auch nicht länger nachdenken, denn der Räusperer meldete sich mit einer seiner normalen Männerstimme. »Kommen Sie rein, ich habe auf Sie gewartet…«
    Im ersten Augenblick konnte ich mit der Stimme des Sprechers nichts anfangen. Ich dachte scharf nach, und ich wußte auch, daß ich die Stimme schon gehört hatte.
    »Haben Sie Angst?«
    Die hatte ich nicht. Nach dieser Frage allerdings kam mir die Erleuchtung. Der Mann, der zu mir gesprochen hatte, war Urbansky, der mich auf der Toilette hatte niederschlagen wollen und letztendlich den kürzeren gezogen hatte.
    Mit seiner Anwesenheit hatte ich beim besten Willen nicht gerechnet und war nun sehr gespannt…
    ***
    Aber auch vorsichtig, denn so betrat ich die Hütte und übereilte nichts. Es war vorstellbar, daß ein Typ wie er Rachegedanken hegte.
    Diese Befürchtung bewahrheitete sich nicht.
    Urbansky erwartete mich in der Mitte der alten Bude. Er stand im Schatten, was nicht ungewöhnlich war, denn es gab hier mehr dunkle Stellen als helle.
    Von einer Einrichtung war nichts zu sehen. Weder ein Tisch oder eine Liege, noch Stühle. Diese Hütte war seit langen Zeiten nicht mehr benutzt worden. Aber sie hatte trotz allem dem Verfall widerstanden. Es roch feucht und klamm. Vielleicht auch faulig, so genau war das nicht zu unterscheiden. Die Natur hatte sich nicht aufhalten lassen. Auch innerhalb der Hütte wuchs Gras aus dem Boden, das alles waren nur Randerscheinungen, die ich auch wie nebenbei aufnahm. Für mich war dieser Urbansky viel wichtiger, der bestimmt nicht ohne Grund hergekommen war. Wahrscheinlich hatte der Wirt McMillan seinen Mund nicht halten können.
    Urbansky hatte sich umgezogen. Er trug jetzt eine Jacke, die ihm bis über die Hüften hinweg reichte. Seine Füße steckten in Stiefeln.
    Er roch auch nicht nach Toilette und wirkte auf mich nicht aggressiv.
    »Was wollen Sie hier?« fragte ich.
    »Ihn!«
    »Ach ja? Und wen meinen Sie damit?«
    Er stöhnte auf. Dabei blies er mir seinen Atem entgegen, so daß ich seine Alkoholfahne riechen konnte. »Ich will Quinton, den Scharfrichter. Ich will ihn, verstehen Sie? Und Sie stören.«
    Ich wußte nicht, ob ich ihn ernst nehmen sollte. Wahrscheinlich doch, sonst wäre er nicht hier. »Über das Stören kann man verschiedener Ansicht sein. Nur frage ich mich, warum Sie ihn wollen. Was ist der Grund? Was hat er Ihnen getan?«
    »Mir nichts.«
    »Aha.«
    »Aber meiner Mutter!« Er ballte die Hände zu Fäusten. Plötzlich zeigte er Gefühle. »Quinton hat sie getötet und sie verschwinden lassen. Sie liegt wahrscheinlich auf dem Friedhof. Wir haben die Gräber nicht geöffnet und müssen davon ausgehen. Ich werde ihn mit den eigenen Händen umbringen, das bin ich ihr schuldig. Es ist allein meine Sache. Die anderen sind nur Feiglinge. Sie wissen und ahnen viel, aber sie ziehen keine Konsequenzen daraus.«
    »Hören Sie, Urbansky«, sagte ich ganz ruhig. »Ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten, aber das wird kaum möglich sein, was Sie sich da vorgenommen haben. Der Scharfrichter ist Ihnen überlegen. Er wird sich von Ihnen nicht umbringen lassen.«
    »Das werden wir sehen!« Er blieb hart. Auch wenn ich zwei Stunden redete, ich würde ihn vom Gegenteil nicht überzeugen können. Deshalb entschloß ich mich, die Zeit zu nutzen und nach den Hintergründen zu forschen. »Können Sie sich vorstellen, warum gerade Ihre Mutter verschleppt worden ist? Was hat sie getan?«
    »Nichts, gar nichts. Nicht sie. Der Grund liegt in der Vergangenheit versteckt.«
    »Also wie so oft bei den Vorfahren,«
    »Ja.«
    »War Ihre Familie daran beteiligt?«
    Er nickte. »Auch wenn unser Name auf etwas anderes schließen läßt, aber wir haben schon immer hier gelebt. Meine Eltern, meine Großeltern und die davor.«
    »Was haben sie damals getan?«
    »Sie sorgten dafür, daß er für den Rest seines Lebens hier in der Hütte bleiben konnte.«
    »Genauer.«
    Urbansky senkte den Kopf. »Nun ja, er kam nicht weg, verstehen Sie. Man wollte ihn nicht

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