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1059 - Der Scharfrichter

1059 - Der Scharfrichter

Titel: 1059 - Der Scharfrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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mehr, deshalb hat man ihn hier in die Hütte gesperrt, das ist alles gewesen.«
    »Aber hier hatte er keine Chance. Er mußte verhungern. Er war doch ein Ausgestoßener!«
    »Er hatte zu essen!«
    »Krankes Vieh!«
    »Na und? Hat so einer wie der Henker und Scharfrichter denn was anderes verdient?«
    »Ich habe die Regeln nicht gemacht, sie mir einfach nur erklären lassen, aber dankbar sind die Menschen aus Mayne ihm nicht eben gewesen. Das müssen Sie doch zugeben. Man hat ihn gebraucht, man hat ihn nicht geliebt, das ist klar, aber man hätte sich auch etwas einfallen lassen können, als seine Zeit vorbei war.«
    »Hat man ja.«
    »Es war nicht menschenwürdig. So etwas macht man nicht. Man hat ihn in ein Gefängnis gesteckt, denn hier zu leben, kann man mit dem Begriff Freiheit nicht umschreiben. Es war der Tod auf Raten, in den man ihn hineingetrieben hat. Ich kann mir vorstellen, daß er sich nur wenig im Ort hat sehen lassen. Vielleicht ist er einmal auf seinem Platz in der Kirche gewesen, aber das war wohl alles.«
    »Stimmt.«
    »Aber jetzt lebt er. Warum und wie auch immer. Er hat es überstanden. Er hätte tot sein müssen. So wie es alle Menschen aus dieser Zeit sind. Er ist es nicht. Vielleicht war er es. Man kann nie wissen. Wenn ja, dann ist er als Toter wieder zurückgekehrt. Oder wie sehen Sie das, Mr. Urbansky?«
    Der Mann hob die Schultern. »Ich habe keine Ahnung, wie das passieren konnte. Ich weiß nur, daß er gekommen ist.«
    So ganz glaubte ich ihm das nicht. »Haben Sie nicht zufällig in den alten Kirchenbüchern zusammen mit dem Pfarrer nachgeschaut?«
    Urbansky senkte den Kopf. Er brauchte nichts zu sagen, er hatte es schon so zugegeben.
    »Was stand darin?«
    »Ich war ja nicht allein.«
    »Wer war noch dabei?«
    »Orson Piper.«
    »Der sicherlich auch verschwunden ist?«
    Urbansky nickte heftig. »Er war im Alter meiner Mutter. Ich weiß auch nicht, warum man versucht hat, ihn zu holen. Der Pfarrer, Piper, meine Mutter, das sind drei Gräber gewesen und…«
    »Es gibt noch ein viertes Grab und auch noch einen weiteren Toten.«
    »Was sagen Sie da?«
    »Mary Pinter liegt auf dem Friedhof, und ihr Mann Doug lebt ebenfalls nicht mehr. Ich weiß nicht, wer noch alles auf der Liste steht. Möglicherweise die gesamten Bewohner von Mayne, denn sie waren es schließlich, die den Scharfrichter um seinen Lohn betrogen haben. Für ihn zahlten früher doch alle – oder?«
    »Das habe ich gelesen.«
    »Was noch, Mr. Urbansky? Stand auch etwas über das Ende des Scharfrichters in den Kirchenbüchern? Wie kam er um? Wer hat ihn begraben? Erhielt er ein christliches Begräbnis?«
    »Nein.«
    »Wie nein?« Mich regte auf, daß er nicht weitersprach. »Ist das alles, was Sie wissen?«
    »In den Büchern stand nichts von einem Begräbnis. Es gibt kein Grab des Scharfrichters.«
    »Aber verfault ist er hier auch nicht. Es muß doch etwas in den Büchern zu lesen gewesen sein.«
    »Nicht viel. Man geht davon aus, daß er in den Sumpf gegangen ist. Er war damals noch größer und auch gefährlicher als heute. Er wird dort umgekommen sein, das ist alles. Ja, es hat ihn umgebracht. Er ist gestorben, verdammt. Der Sumpf hat ihn geschluckt. Das verfluchte Moor hat sein Schicksal besiegelt.«
    »Selbstmord?«
    »Kann sein.«
    »Ein Mann, der sich aus Verzweiflung umgebracht hat. Der allerdings voller Rachegedanken steckte und nun bereit ist, sie alle in die Tat umzusetzen. Statt zu verhungern, ist er in den Tod gegangen. In Mayne hatte er sich auch nicht blicken lassen können. Das wäre für ihn fatal gewesen. Man hätte ihn wieder zurückgejagt oder getötet. Und fliehen wollte er auch nicht, weil er möglicherweise nicht wußte, wohin er gehen sollte. So muß es gewesen sein, Mr. Urbansky. Ich denke kaum, daß Sie mir da widersprechen können.«
    »Nein, und das will ich auch nicht. Aber das alles ist noch kein Grund, nicht tot zu sein. Er hätte es sein müssen, aber er ist es nicht. Darüber komme ich nicht hinweg.«
    Ich gab ihm recht. »Stimmt, er hätte tot sein müssen. Ich habe lernen müssen, daß es Dinge im Leben gibt, die normale Regeln außer Kraft setzen. Er war vielleicht tot, doch dann ist er wieder zurückgekehrt. Und damit müssen wir leben.«
    Urbansky hatte mir zugehört. Ihm blieb beinahe der Mund offen.
    »Wieso das denn? Das gibt es nur im Kino, aber nicht in der Wirklichkeit.«
    Ich konnte das Lachen nicht unterdrücken. »Was haben Sie denn gedacht? Wie sollte er sonst zurückgekehrt

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