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1059 - Der Scharfrichter

1059 - Der Scharfrichter

Titel: 1059 - Der Scharfrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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nicht, doch es gab ein Zentrum, von dem aus sich die Wellen ausbreiteten. Und aus diesem Zentrum und eingehüllt in den fahlen Dunst, erhob sich eine Gestalt.
    Der Scharfrichter kehrte aus seinem Grab zurück!
    ***
    Zuerst erschien sein Kopf!
    Ich hatte ihn schon einmal gesehen und wußte deshalb, daß nur er es war. Noch war es hell genug, um ihn genau beobachten und erkennen zu können. Außerdem störte der Dunst nicht zu stark. In wenigen Minuten würde es anders aussehen.
    Sein Schädel sah naß aus, einfach widerlich. Da klebte das Haar auf dem Kopf. Der Mund stand weit offen, wie der eines Toten nach dem letzten Atemzug. Die Haut wirkte aufgerissen, narbig, alt und grau. Auch sie glänzte. In den Augen lag nichts, kein Gefühl. An ihnen entlang rann nur das Wasser.
    Ich wußte nicht, wie tief der Weiher war. Vielleicht reichte mir das Wasser bis zum Kinn, aber der Scharfrichter konnte auch im Schlamm gesteckt haben, denn Reste davon spülte das Wasser nach unten. Es war eine furchtbare Erscheinung, die immer höher wuchs.
    Ich sah den Körper, dann auch die Arme, die Quinton zur Seite hin gestreckt hatte, wie jemand, der Halt sucht.
    Er mußte mit seinen Füßen auf dem Grund stehen, denn er trat kein Wasser. Aber er stieg immer höher. Wie von unsichtbaren Händen nach oben geschoben.
    Urbansky hatte seinen Platz neben mir behalten. Er bekam alles ebenso mit wie ich, schüttelte den Kopf, flüsterte Worte, die wohl keiner von uns verstand. Sie drückten sein Entsetzen aus, unter dem er litt.
    Der Scharfrichter stieg weiter hoch. Er bewegte sich selbst nicht.
    Jemand half ihm. Auch seine Hüfte war zu sehen, um die er das Seil geschlungen hatte.
    Sein Beil steckte noch darin. Jetzt war die Klinge blank. Auch an ihr perlte das Wasser ab.
    Und noch etwas war mit ihm geschehen. Sein gesamter Körper war von einem blassen Hauch umgeben. Wahrscheinlich einem kalten Nebel, der feinstofflichen Gaze, wie man sie auf alten Fotografien sehen kann, wenn sie aus den Mündern irgendwelcher medial veranlagten Personen dringt.
    Dann stand er.
    Ja, er stand, und dieses Stehen brachte Urbansky völlig aus dem Konzept. Die Füße des Scharfrichters berührten die Wasserfläche, aber der Körper sank nicht ein. Er stand dort wie auf einer festen Unterlage aus Holz oder Beton.
    Auch mir stockte der Atem. Ich hatte es hier mit einem magischen Phänomen zu tun, bei dem die Gesetze der Physik aufgehoben worden waren. Derartige Kräfte konnte ihm kein Mensch verleihen, sondern nur die Macht der Hölle.
    Er blieb stehen, um sich zu präsentieren. Er wollte uns zeigen, wie mächtig er war. Noch bewegte er sich nicht. Abgesehen von seinem nassen Kopf, den er leicht drehte, um das Ufer abzusuchen, an dem wir standen.
    Nicht zu lange behielt er die starre Haltung bei. Es waren zuerst die Arme, die er anwinkelte. Dabei hob er sie leicht an und schob sie seiner Hüfte entgegen, denn dort steckte die Waffe, mit der er die Menschen früher vom Leben in den Tod befördert hatte. Beide Hände legte er um den Griff des Beils. Alles geschah so langsam. Es kam mir posenhaft vor, doch ich hütete mich, darüber zu lächeln.
    Für ihn würde schon alles einen Sinn ergeben.
    Hinter und auch über mir zeigte der Himmel im Westen einen letzten hellen Schein. Wie gemalt hob sich der Streifen von der grauen Dämmerung ab. Verschiedene Töne gingen ineinander über und würden bald den Rest des Tageslichts verschluckt haben.
    Es war nicht still. Noch immer glitten die Wellen mit einem leisen Plätschern an den Uferrand heran, wo sie ausliefen. Urbansky konnte es noch immer nicht fassen. Er stand keuchend neben mir.
    Manchmal jammerte er auch leise auf.
    »Es wäre wirklich besser, wenn Sie gingen!« flüsterte ich ihm zu.
    »Das ist allein meine Sache.«
    Er gab keine Antwort, da ihn der Scharfrichter ablenkte, ebenso wie auch mich. Er hielt seine Hände auch weiterhin um den Griff seiner Waffe. Jetzt aber zuckten sie, denn er griff noch härter zu, und dann zerrte er das Beil hervor.
    Er hielt es fest.
    Dann hob er die Arme.
    Die Klinge befand sich jetzt hoch über seinem Kopf, und sein auf dem Wasser stehender Körper war gestreckt.
    Es sah nach Angriff aus. Noch einmal wiederholte ich meine Bitte an Urbansky. Die Worte hörten sich jetzt mehr an wie ein Befehl.
    »Gehen Sie endlich!«
    »Ja, ja!« Er hatte Angst bekommen. Völlig natürlich. Daß die Dinge sich so entwickeln würden, hätte er nie gedacht. Er hatte sich eine normale Erklärung

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