1059 - Der Scharfrichter
Umgebung der Trauerweiden verlassen hatte. Rechts vor mir lag der tote Urbansky. Etwas weiter entfernt stand der Rover.
Und wo steckte der Scharfrichter? Vielleicht in der Hütte. Dort hatte er eine relativ gute Deckung und besaß auch einen guten Überblick.
Ich stand ziemlich frei. Ein gutes Ziel für einen, der mit übermenschlichen Kräften ausgestattet war.
Meine Beretta kam mir wertlos vor. Durch eine Kugel würde ich das Beil bestimmt nicht aufhalten können. Deshalb steckte ich sie auch weg und mußte mich nun entscheiden.
Eine Flucht kam für mich nicht in Frage. Es gab deshalb nur eine Lösung. Ich mußte mich dem verdammten Killer selbst als Ziel anbieten, so schlimm das auch enden konnte.
Der Weg, den ich ging, lag relativ frei. Ich schaute immer wieder zur Seite, drehte mich auch um, aber es erfolgte kein Angriff. Rechts von mir wuchsen die noch kahlen Büsche. In der Dunkelheit wirkte das Gestrüpp jetzt wie eine dichte Mauer.
Ab und zu gelang mir ein Blick auf den Weiher. Auch er lag ruhig da. Keine Wellen, nichts mehr.
Dann erschien die Hütte. Sie war dunkler als die Umgebung. Ich war versucht, meine kleine Lampe einzuschalten und nach Spuren zu suchen, überlegte es mir aber anders.
Der Weg zur Hütte glich einem Spießrutenlaufen. Immer wieder wartete ich auf einen Angriff, ohne ihn mir direkt herbeizuwünschen. Aber die andere Seite mußte etwas tun. Der Scharfrichter konnte mich nicht laufen lassen.
Vor der Hütte und schräg zum Eingang blieb ich stehen. War Quinton darin? Oder nicht?
Ich konnte nur raten. Wenn er sich dort aufhielt, wäre die Gelegenheit für einen Angriff jetzt günstig gewesen, aber er hielt sich zurück, denn er wollte allein den Zeitpunkt bestimmen.
Meine Unruhe nahm zu, die Stille blieb. Ich legte den letzten Rest der Strecke zurück und ging auf die Hütte zu. Mit den Fingern der linken Hand strich ich über mein Kreuz hinweg. Ich suchte förmlich nach einem Hinweis, nach einer geringen Erwärmung, die von der Nähe des dämonischen Scharfrichters kündete.
Nein, das Metall war kühl und hatte auch die leichte Feuchte der Umgebung angenommen.
Vor der Tür wartete und lauschte ich.
Sollte sich Quinton in der Hütte aufhalten, dann verhielt er sich verdammt geschickt und trieb mit mir ein Nervenspiel.
Ich betrat die Hütte nicht mehr, denn die Zeit des Wartens und Lauerns war endgültig vorbei.
Hinter meinem Rücken hörte ich das Plätschern.
Es war windstill, nichts Natürliches hätte die Wasserfläche also bewegt.
Ich drehte mich um.
Ich war schnell, und trotzdem kam mir alles wie im Zeitlupentempo vor.
Aus dem Wasser stieg der Scharfrichter. Er hatte sein Beil. Er bewegte seine Beine normal, als er ging, aber er hob auch seinen rechten Arm mit der Waffe an.
Ich schaute zu. Ich sah alles. Ich dachte daran, wie nah doch die Entfernung war. Sein häßliches Gesicht verzog sich in die Breite, als er grinste und seinen Arm noch ein Stück zurücknahm, um ihn dann – und noch mit den Füßen im flachen Wasser stehend - vorzuwuchten.
Auch die Waffe machte die Bewegung mit.
Nur nicht lang.
Plötzlich löste sie sich aus der Hand und raste haargenau auf mich zu…
***
Tod oder Leben!
Es gab nur die beiden Möglichkeiten. Dieses verdammte Beil war ungemein wuchtig geschleudert worden. Es überschlug sich noch in der Luft. Seine schwere, blanke Klinge leuchtete dabei auf, als hätte sie das Mondlicht für einen winzigen Moment eingefangen.
Das Beil traf immer. Es war auf ein Ziel programmiert. Auch wenn ich mich duckte oder zu Boden warf. Es würde mich auf jeden Fall erwischen. Daran dachte ich und handelte trotzdem rein reflexhaft.
Ich fiel so immens schnell, als hätte mir jemand die Beine weggeschlagen. Dabei gelang es mir, den Weg des Beils zu verfolgen, und es hätte bereits in meiner Stirn stecken müssen, aber es huschte über mich hinweg. Waren meine Befürchtungen grundlos gewesen?
Gehorchte es dem Scharfrichter nicht?
Es wäre wirklich zu schön gewesen, denn einen Moment später tat es genau das, womit ich gerechnet hatte.
Es drehte sich in der Luft!
Durch diesen Umkehrschwung hatte es ein neues Ziel gefunden.
Auf den Henker achtete ich nicht, für mich zählte einzig und allein nur seine Waffe.
Sie kam, sie war da und…
Sie traf nicht!
Plötzlich überkam mich der Ruck. Es war ein irrsinniger Energiestoß, der durch meinen Körper tobte. Sein Zentrum lag in meiner Brust oder auch an ihr, denn dort hing das Kreuz. Es strahlte
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