1062 - Und abends kommt der böse Mann
in der Hand, das Suko mir vor diesem Einsatz wiedergegeben hatte und dessen Kraft sich gegen die Kreaturen der Finsternis stellte. Für sie war es eine absolut tödliche Waffe, und seine Magie hatte ausgereicht, um Monty aus dem Konzept zu bringen und ihn möglicherweise zu schwächen.
Um Glenda und das Mädchen kümmerte ich mich nicht. Monty war jetzt wichtiger. Aus der Bauchlage hervor rammte ich meinen Oberkörper in die Höhe. Mit den Schultern stieß ich gegen irgendwelche Restbalken, schleuderte sie ebenfalls in die Höhe. Ein Splitter sägte durch meine Haare und dicht über die Kopfhaut hinweg. Den Schmerz spürte ich so gut wie nicht, denn der Kinderschreck war wichtiger.
Er brüllte.
Er stand in meiner Nähe. Sein schrecklicher Totenschädel zuckte von einer Seite zur anderen. Das Maul war weit aufgerissen, und tief aus der Kehle drang der Brodem hervor wie ein gelblich eingefärbtes Gas.
Jemand huschte an mir vorbei. Er schlug im Laufen zu und hämmerte die drei Riemen der Dämonenpeitsche gegen den blanken Knochenschädel.
Vielleicht hatte Monty vorgehabt, die Bühne an der Vorderseite zu verlassen. Durch den Treffer war ihm das nicht mehr möglich.
Die Wucht schleuderte ihn auf mich zu.
Für einen Moment erlebte und durchlitt ich alles in Zeitlupentempo. Monty kam mir vor wie jemand, der auf mich zuflog, um mich in die Arme zu nehmen.
Alles, nur das nicht!
Ich stand breitbeinig und wartete haargenau den richtigen Zeitpunkt ab.
Dann rammte ich meinen rechten Arm vor. In der Hand hielt ich das Kreuz. Das häßliche Totenschädel- Gesicht, das fast nur aus Maul bestand, lag genau in der richtigen Höhe.
Plötzlich steckte das Kreuz in Montys Maul!
Zuerst stoppte die Bewegung. Danach wurde er zu einem tanzenden und wild gewordenen Derwisch. Auf der Stelle bewegte er sich trampelnd und schreiend. Aus nächster Nähe konnten Suko und ich ihn erleben. Er war eine Kreatur der Finsternis. Ausgestattet mit zwei Gesichtern, um sich auch inmitten der Menschen bewegen zu können.
Sein zweites Gesicht schimmerte für einen Moment durch, als hätte es sich über den Knochenschädel gelegt. Es verschwand aber sehr schnell wieder, so daß das andere präsent blieb. Das Gesicht, das diese Kreatur der Finsternis schon seit Urzeiten mit sich herumtrug.
Nur nicht so wie jetzt!
Der Schädel glühte. Das Kreuz steckte noch immer in seinem widerlichen Maul, und an den Enden leuchteten die vier Buchstaben, die Insignien der Erzengel, auf.
Kein Blau. Dafür ein weißes, zerstörerisches Licht, das dem Bösen ein Ende bereitete.
Montys Knochenkopf verglühte im strahlenden Licht einer wunderbaren Himmelskraft. Der Schädel zersprühte. Er verwandelte sich in feinen Staub, unzählige Lichtpartikel und wurde auch eingehüllt in eine Glocke, die wie eine Sonne wirkte.
Kein Luzifer kam ihm zu Hilfe. Keines seiner Augen leuchtete noch in diesem Blau. Bei ihm strahlte nichts mehr, denn von Monty blieb nichts übrig.
Nur seine Kleidung, aber die war nicht mehr wichtig, auch wenn das Kreuz wie ein Zeichen des Sieges darauf lag und ich es sofort wieder an mich nahm…
***
Aus dem Loch kletterte Glenda. Zwar noch etwas benommen, aber durchaus okay. Suko war zur Bühnenseite gegangen. Er hatte dort eine Frau liegen sehen und kümmerte sich um sie.
Über sein Handy rief er einen Arzt an.
Ich half Glenda hoch. Sie zitterte, fiel mir in die Arme, weinte und flüsterte immer wieder, daß das Mädchen nicht tot war. »Es lebt, John, es lebt, mein Gott…«
»Du hast es gerettet, Glenda.«
»Nein, ich bin…«
»Doch, Glenda, doch…«
Ich schaute an ihr vorbei. Dorthin, wo die Zuschauer standen, die alles mitbekommen, aber nichts begriffen hatten. Monty war zu schnell gestorben und auch zu unglaubwürdig. Vielleicht hielten es die Kinder und auch die Erwachsenen für einen Zaubertrick, was mir sehr zupaß gekommen wäre.
Ein als Gespenst verkleideter Junge kam auf mich zu. »Hör mal, Mister, was war das denn? Wer war das?«
»Ein böser Mann.«
»Der aus unserem Gruseltheater?«
Ich wußte nicht, was er meinte, und schaute ihn fragend an.
»Wir spielen ›Und abends kommt der böse Mann‹«, erklärte er stolz.
Ich lächelte. »Nein, dieser böse Mann ist bestimmt ein anderer. Du wirst es sehen. Laß dich überraschen…«
ENDE
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