1062 - Und abends kommt der böse Mann
Schultern.
Andere hatten Glenda ebenfalls gehört, kamen näher und bildeten einen Kreis.
»Wo ist denn Diana?«, fragte ein Junge.
Glenda schaltete schnell. »Ist das die Frau mit kurzen dunklen Haaren?«
»Klar.«
Glenda spürte die Stiche. Sie wußte nicht, ob die Kids die Wahrheit vertragen würden. Deshalb schwächte sie die Tatsachen ab.
»Sie ist nicht mehr hier. Ihr wurde schlecht…«
»Glaube ich nicht! Ich habe sie noch vor ein paar Minuten gesehen.«
Auch die anderen nickten.
Glenda steckte in einer Zwickmühle. Man sah ihr an, daß sie nicht mehr weiterwußte. Glücklicherweise war es außerhalb der Bühne noch ruhig. Die Zuschauer beschwerten sich nicht.
»Sandra ist auch nicht da!« meldete sich eine helle Stimme aus dem Hintergrund.
Glenda stockte der Atem. Sie merkte, daß sie noch bleicher wurde. Für sie gab es nur eine Lösung. Sehr vorsichtig tastete sie sich heran. »Habt ihr auch einen Fremden gesehen?«
»Ja, aber nur kurz.«
»Der war verkleidet«, sagte jemand aus dem Hintergrund.
Glenda richtete sich auf. »Wieso?«
Ein kleiner Junge lachte. »Der war richtig unheimlich. Der hat sich nämlich einen Totenkopf aufgesetzt.«
»Und… und …«, Glenda holte Luft, »hast du gesehen, wo er hingegangen ist?«
»Nein.«
»Auch Sandra hast du nicht gesehen?«
»Nein. Sie ist weg…«
Es schien so zu sein, als hätte eine Regie eingegriffen. Von oben herab für das Schweigen gesorgt, das eine Weile anhielt, sich auf die Bühne konzentrierte und dann unterbrochen wurde.
Nicht durch Glenda, auch nicht durch die sie umgebenden Kinder, sondern von einer anderen Stimme.
»Bald meine kleine Sandra, bald wirst du ein Engel sein!« Eine schrille Stimme, die noch von einem Kichern begleitet wurde. In der Nähe war sie aufgeklungen, aber nicht auf der Bühne und auch nicht an deren Rand.
Nein, sie kam aus einer anderen Richtung.
Von unten.
Unter der Bühne hatte sich Monty mit seinem Opfer versteckt!
***
Glenda hätte schreien können. Sie tat es nicht. Sie blieb nur stehen, und sie senkte unwillkürlich den Blick nach unten und starrte auf die Bretter, zwischen denen es kleine Lücken gab.
Allerdings waren sie breit genug, um auch den Boden erkennen zu können. Es war dunkel, eine Bewegung zeichnete sich dort nicht ab, und auch die Stimme war verstummt.
Obwohl nur wenige Sekunden verstrichen waren, hatte Glenda das Gefühl, schon über Minuten hier auf der Bühne zu stehen. Sie wußte, daß sie hinunter mußte. Etwas anderes gab es nicht für sie.
An der Rück- oder auch Vorderseite unter die Bühne zu kriechen und sich Monty zu stellen, bevor er seine fürchterliche Prophezeiung in die Tat umsetzen konnte.
»Hat da nicht jemand gesprochen?«
»Klar.«
»Wo denn?«
Die Fragerei brachte Glenda durcheinander. Aber sie wußte, was sie zu tun hatte.
»Weg mit euch!« fuhr sie die Kinder an. »Los, ihr müßt weg! Ihr seid in Gefahr!«
»Eine Bombe?«
»Auch das.«
Einige lachten, ändere zogen sich zurück. Glenda hielt sich keine Sekunde mehr länger auf.
Diesmal nahm sie die Rückseite. Zwei leichte Kulissen fielen um, als Glenda dagegenstieß. Darum kümmerte sie sich nicht. Sie wollte weiter. Sie mußte Sandra retten, falls es noch nicht zu spät war, was sie auch befürchtete, weil sie nichts mehr gehört hatte.
An der hinteren Breitseite der Bühne sprang sie zu Boden. Dabei berührte sie noch die Plane und fragte sich, warum sie von John und Suko noch nichts gesehen hatte.
Glenda hatte Angst, als sie sich kniete und sich drehte.
Die provisorische Bühne war so hoch gebaut worden, daß jemand bequem unter sie kriechen konnte. Das galt auch für eine erwachsene Person wie Glenda.
Sie lag auf dem Bauch. Das Licht war natürlich schlecht. Es überwogen die Schatten.
Trotzdem konnte sie etwas erkennen!
Ihr stockte der Atem. Es war alles viel schlimmer als sie es sich vorgestellt hatte.
Sandra lag auf dem Rücken. Sie war nicht verkleidet. Trug Jeans mit Flicken und einen Pullover.
Neben ihr hockte Monty. Er schien völlig in seiner Welt versunken zu sein. Ein häßliches Geschöpf mit einem Totenschädel, der von hellem, buschigen Haar umgeben war.
Mit der rechten Hand, deren Finger er gespreizt hatte, strich er über den Körper des bewußtlosen oder angststarren Mädchens hinweg. »Engelchen«, flüsterte er. »Bald wird du ein Engelchen sein. Darauf freue ich mich, darauf freue ich mich wirklich…«
Glenda war es nicht möglich, sich zu beherrschen. Dabei
Weitere Kostenlose Bücher