1062 - Und abends kommt der böse Mann
murmelte ich.
»Kann er es besser haben?« fragte Suko. »Viele Menschen, aber wenige Zeugen, weil alle abgelenkt sind. Das ist sein Revier. Und er hat auch genügend Platz, um Fluchtwege zu erreichen. Ich weiß, daß er auf uns wartet. Er hat das Spiel in Bewegung gebracht, wir machen mit, und er wird es bis zum bitteren Ende durchziehen.«
Sir James nickte. »Es ist die einzige Chance, und auch das einzige Kinderfest, das momentan läuft. Von den privaten können wir nicht ausgehen. Sie müssen hin, das ist klar. Zuvor noch eine Frage. Wer oder was steckt hinter Monty, the Angel? Was hat er vor? Was treibt ihn? Und wer ist er wirklich?«
»Er will Kinder zu Engeln machen«, sagte ich leise.
»Gut, das ist mir bekannt. Warum tut er das? Kann es ihm um die Seelen der Kleinen gehen?«
»Ja« Diesmal sprach Suko. »Seelen für Luzifer. So schlimm es sich auch anhört. Damit müssen wir rechnen. Seelen für das absolut Böse. Luzifer steht auf seiner Seite, Monty ist ihm hörig.«
»Woher wissen Sie das so genau, Suko?«
»Ich habe seine Augen gesehen.«
Sir James akzeptierte es, mußte allerdings noch etwas loswerden.
»Ich weiß nicht, wie groß dieses Fest ist. Bestimmt nicht klein, sonst hätte man sich nicht den Hyde Park ausgesucht. Wäre es nicht besser, wenn Sie jemand mitnehmen?«
»An wen haben Sie denn gedacht, Sir?«
»Ich dachte an Glenda. Sechs Augen sehen mehr als vier.«
Begeistert waren wir nicht. Das merkte auch Sir James. Er fragte nach den Gründen. Wir erklärten ihm, daß Monty verdammt gefährlich war und keine Rücksicht kannte. »Wir wollen Glenda nicht in Gefahr bringen.«
»Das verstehe ich, John. Nur kennt Monty sie nicht. Sie kann sich unauffälliger bewegen als Sie beide.«
Damit hatte er uns überzeugt. »Allerdings muß sie noch zustimmen«, sagte ich.
Sir James lächelte. »Nehmen Sie die Wette an, John, daß sie ablehnen wird?«
»Nein«, gab ich zu.
»Eben.«
Wir gingen wieder zurück und ließen den nachdenklich gewordenen Sir James allein. Glenda bekam große Augen, als sie unseren Vorschlag hörte.
»Willst du denn überhaupt?« fragte ich.
Sie schaute mich für einen Moment an und schüttelte den Kopf.
»So eine blöde Frage kannst auch nur du stellen, John.«
»Sorry.«
Sie reckte sich und schaute mich aus funkelnden Augen an.
»Wann starten wir?«
»Sofort!«
***
Karussells, Buden, Verkaufsstände, Musik, Kinderlachen, Popcornstände, ein Auto-Scooter für Kinder, aber keine High Tech, wie man sie auf den modernen Jahrmärkten erlebt. Dieser hier war für Kinder wie geschaffen, und es ging auch darum, den jüngeren Besuchern die Art von Jahrmarkt nahezubringen, wie man ihn früher erlebt hatte. Eine andere Welt, nicht uninteressanter, dafür oft kreativer.
Ein großes Stück Rasen bot Platz genug, und auch das Wetter meinte es gut, denn am Nachmittag war die Sonne durch die Wolken gebrochen und schickte ihren warmen Frühlingssegen über London und auch den Hyde Park hinweg.
Die Kids hatten ihren Spaß. Sie waren in Scharen gekommen. Sie hatten ihre Computer, Game Boys und CD-Roms vergessen, um sich in ein Fest zu stürzen, wie es schon ihre Großeltern erlebt hatten. Schießstände gab es nicht, auch keine Automatenspiele. Dafür Dinge wie Hau-den-Lukas oder ein Kraftmeßgerät.
Man konnte Geschicklichkeitsspiele durchführen, aber auch Lose kaufen und auf den Hauptgewinn hoffen. Der Duft von Popcorn umwehte das Gelände wie ein mit Geruch gefüllter Nebel. Es war wirklich ein großer Spaß, nicht nur für die Kinder. Die meisten Erwachsenen allerdings hielten sich zurück. Dem Fest angeschlossen, war auch für sie gesorgt worden, denn es gab ein großes Bierzelt, in dem die Eltern warten konnten.
Natürlich dachte niemand an etwas Böses. Aber das Böse war bereits unterwegs.
Monty hatte sein Ziel erreicht. Er war herbeigeschlichen wie ein Dieb. Der Mord an Rankin hatte ihm gutgetan. Er jubelte innerlich.
Er sah sich schon einen Schritt weiter und stellte sich vor, wie es sein würde, wenn er Luzifer die neuen Engel schickte.
Er würde sie annehmen. Er würde sie in seinen Kreis aufnehmen und sich wieder stärken können.
Monty steckte voller Freude. Sein innerlicher Jubel hielt sich allerdings in Grenzen. Er durfte sich nicht auffallend benehmen, sondern mußte sehr aufpassen.
Die Gefängniskleidung trug er zwar noch, aber darüber einen Mantel, den er auf einem kleinen Flohmarkt gestohlen hatte. Auf seinem jetzt wieder menschlichen Gesicht
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