1062 - Und abends kommt der böse Mann
was mit dieser Frau passiert war.
Glenda Perkins bückte sich und war dabei wütend über sich selbst, da sie ihr Zittern nicht in den Griff bekam.
Die Zeltplane war zwar recht steif. Sie ließ sich aber anheben.
Glenda mußte sich selbst eine Lücke schaffen, die groß genug war, um sich dann hindurchschieben zu können.
Sehr hoch bekam sie die Plane nicht. Sie mußte schon wie ein Rekrut über den Boden robben. Dabei hoffte sie, nicht beobachtet zu werden. Daß die Frau hier lag, war nicht normal, und es hatte vielleicht etwas mit dem Dasein des Kinderschrecks zu tun, obgleich sie ihn bisher noch nicht zu Gesicht bekommen hatte.
Glenda wunderte sich schon darüber, daß sich die Augen erst an die Lichtverhältnisse gewöhnen mußten. Durch den Bühnenaufbau und durch die aufgehängten Tücher war es hier dunkler als an den übrigen Stellen.
Sie kroch weiter. Entfernt von ihr hörte sie die Stimmen der Kinder, die auf den Beginn der Vorstellung warteten. Sie hatte sich noch die Zeit genommen und einen Blick auf die Bühne geworfen.
Dort standen die Akteure. Einige von ihnen waren schon verkleidet. Sie trugen lange weiße und schwarze Umhänge, denn sie wollten Gespenster spielen. Dazu paßten auch die beiden Akteure in den dunklen Trikots, auf deren Stoff sich helle Knochen abzeichneten.
Ein Gruselstück würde ablaufen. So etwas liebten die Kids. Aber sie liebten nicht das, was Glenda Perkins vor sich am Boden liegen sah.
Die Frau lag auf dem Rücken. Sie bewegte sich nicht mehr. Glenda befürchtete, eine Tote vor sich zu haben. Ihr stockte der Atem.
Glenda berührte den Körper. Sie wollte nach dem Puls tasten.
Ihre Hand glitt von der Hüfte her höher - und es klebte plötzlich die Nässe an ihren Fingern.
Kein Wasser!
Glenda schaute nicht zweimal hin. Sie wußte, wie Blut aussah.
Und die Bluse der dunkelhaarigen Frau war tatsächlich in Höhe der Taille durch das ausgetretene Blut genäßt worden.
Aber die Frau lebte.
Das hatte Glenda schnell festgestellt. Panik überkam sie nicht. Sie wußte genau, was sie zu tun hatte. Wie von allein war ihr das Handy in die Hand geglitten. Sie riß sich wahnsinnig zusammen und vertippte sich auch nicht beim Wählen von Johns Nummer.
Er meldete sich schnell.
»John, du mußt sofort ins Zelt kommen. Ich glaube, daß er hier war oder noch hier ist. Alles weitere gleich. Aber hier sind auch viele Kinder. Beeilt euch…«
Schluß mit der Verbindung. Glenda kniete. Eine schlechte Sichtposition. Dann richtete sie sich wieder auf. In der Nähe sah sie die Treppe, die zur Bühne hochführte.
Erst jetzt war sie wieder in der Lage, die Umgebung wahrzunehmen. Ihr fiel ein, daß sie es versäumt hatte, einen Arzt anzurufen. Das wollte sie nachholen, doch das Schicksal hatte es anders vorgesehen.
»Wir wollten doch anfangen!« rief ein Mädchen.
»Diana ist immer noch nicht da!« antwortete ein Junge mit einem hellen Gewand.
»Wer hat sie denn weggehen sehen?«
»Weiß ich doch nicht.«
»Und was ist mit dem komischen Typen gewesen?«
»Wieso?«
»Den habe ich hier auf der Bühne gesehen. Er ist an mir vorbeigeschlichen.« Das Mädchen war plötzlich aufgeregt. »Das war ein unheimlicher Kerl. Ich hatte richtig Angst.«
»Der ist weg!«
Glenda wurde nicht beobachtet. Sie nutzte den Augenblick der Unsicherheit aus und ging die Stufen der kleinen Treppe hoch. Von der Bühne aus schaute sie über die Köpfe der Zuschauer hinweg.
Einige der Versammelten saßen auf den Bänken. Vor allem die Kids, denn die meisten Erwachsenen waren noch stehengeblieben.
So viele waren es nicht, die sich die kleine Show hier anschauen wollten.
Glenda wußte, daß sie etwas tun mußte. Monty war bereits gesehen worden, denn niemand sonst war gemeint. Sie behielt die Nerven, und ihre Blicke glitten in alle Richtungen, ohne daß sie etwas Verdächtiges wahrnahm.
Sie erreichte das Mädchen, das die Frage gestellt hatte. Es war ratlos. Es trug das dunkle Trikot mit den aufgemalten Gebeinen und bot einen schaurigen Anblick.
»He, wer bist du?« wurde Glenda angesprochen.
»Ich möchte euch helfen.«
»Wie… wieso?«
Glenda wußte nicht so recht, wie sie anfangen sollte. Jedes Wort konnte richtig, aber auch verkehrt sein. Für sie war wichtig, daß die Kids die Bühne verließen. Nur mußte sie dafür einen triftigen Grund präsentieren. Das wiederum war nicht einfach.
»Ihr müßt hier weg!«
»Was? Wieso?«
»Ja – bitte, schnell.« Sie legte der Kleinen beide Hände auf die
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