Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1063 - Die Nacht vor Walpurgis

1063 - Die Nacht vor Walpurgis

Titel: 1063 - Die Nacht vor Walpurgis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
als feindlich einzustufen.
    Die innere Stimme drängte sie dazu, die Hand auszustrecken und die Decke von dem Gegenstand zu entfernen.
    Jane Collins faßte die Decke an. Sie merkte, daß es Sackleinen war, das rauh durch ihre Finger glitt. Da sie locker über den Gegenstand gelegt worden war, hakte sie sich nicht fest. Nach dem ersten Zug und dem ersten Ruck flatterte sie wie die Schwinge eines großen Vogels erst zur Seite und dann zu Boden.
    Jane hatte sie automatisch losgelassen. Sie starrte jetzt auf den Gegenstand.
    Ja, das war der Spiegel!
    Ein kunstvolles Werk mit einem dicken Rahmen, in dem sich selbst noch kleine Spiegel abzeichneten.
    Jane schaute hinein – und fing an zu zittern.
    Sie sah eine Person, aber das war nicht sie…
    ***
    Mein Kreuz hatte es geschafft. Es hatte uns tatsächlich den Weg in die Tiefe geebnet. Zumindest den optischen. So unterschiedlich Kevin White und ich auch waren, in diesen Momenten hatten wir beide viel gemeinsam. Wir waren zunächst atem- und sprachlos, knieten auf dem Boden und schauten in den hellen Schein, der sich sehr weit in den Hügel hineingebohrt hatte und auch nicht schwächer wurde.
    An seinem Ende zeigte sich genau das, was wir gesucht hatten.
    Es war das Hexenherz!
    Trotz der Entfernung gut zu erkennen. Sehr scharf konturiert malte es sich ab. Es war nicht still. Es bewegte sich. Es zuckte, es pochte, und wir hörten die Geräusche jetzt sogar lauter.
    Der Lautstärke nach zu urteilen hätte das Herz die zehnfache Größe eines normalen haben müssen. Das allerdings war nicht der Fall. Es sah aus wie immer und war ein dunkler, zuckender Klumpen, der von einem unsichtbaren Motor angetrieben wurde.
    Das Kreuz lag ruhig da. Es schickte seine Strahlen von allen vier Seiten her in die Tiefe, wobei sie dicht über dem Ziel wie das Ende einer Tüte zusammenliefen.
    Kevin White hatte als erster die Sprache zurückgefunden. »Die Legende hat recht. Himmel, sie hat recht. Das Herz der Hexe hat niemand töten oder verbrennen können. Es lebt noch immer. Und es pocht. Es bringt uns seine Botschaft.«
    Damit hatte er nicht einmal so unrecht. Es mußte einen Grund haben, weshalb das Herz schlug oder vielleicht jetzt wieder angefangen hatte zu schlagen.
    Lag es an der kommenden Walpurgisnacht? Waren das die Vorbereitungen für einen höllischen Hexenspektakel?
    Eine andere Antwort wußte ich nicht, und auch Kevin White war ziemlich ratlos. Er raufte seine Haare und schüttelte zugleich den Kopf. »Bisher war es nur ein Verdacht, aber jetzt habe ich die Gewißheit bekommen. Das Herz existiert!« flüsterte er. »Ich kann es sehen und auch schlagen hören. Es hat überlebt. Das ist Wahnsinn!«
    Er wiederholte das letzte Wort noch zweimal und klammerte sich an meinem Arm fest.
    Ich schaute ihn von der Seite her an. Kevin wirkte völlig aufgelöst. Allerdings nicht geschockt. Er wirkte mehr wie ein Mensch, der froh war, etwas Bestimmtes erreicht zu haben, nach dem er schon lange gesucht hatte. Eine nach außen hingetragene Angst war bei ihm nicht festzustellen. Sicherlich hatte er sich auch zu stark mit all diesen Dingen beschäftigt. Er war schließlich der Heimatforscher. Er hatte sich umgeschaut. Er hatte in der Vergangenheit gesucht und stand nun vor dem Ziel.
    Als er meinen Arm schütteln wollte, sprach ich Kevin an. »Ruhig, bleiben Sie ruhig. Noch ist alles okay!«
    White lachte schrill. »Nein, Sinclair, das ist nicht mehr okay. Spüren Sie nicht das Andere?«
    »Nein!«
    »Ich schon!«
    »Wovon sprechen Sie?«
    Er winkelte das rechte Bein an, stemmte sich ab und stand auf.
    Zwei, drei kleine Schritte ging er zur Seite. Sehr steif, den Rücken durchgedrückt. Er schaute dabei in die Höhe, wie jemand, der die Weite des Himmels ausmessen will. Dann sprach er. »Sie sind da, John. Die anderen Kräfte, die sich bisher versteckt gehalten haben, sind da. Zoras Herz ist nicht verbrannt. Wir beide haben es gesehen. Wir haben es schlagen gehört. Es hat die Zeiten überlebt.« Er nickte. »Es ist ein Wunder. Die alte Legende stimmt, sie ist wahr.«
    Er drehte sich zu mir um. »Und ich habe immer gewußt, daß sie keine Lüge sein kann. Die Hexe ist tot. Es lebe ihr Herz!«
    Er verstummte, blieb für einen Moment stehen und drehte sich langsam um.
    Mich übersah Kevin dabei. Sein Blick war auf die Stelle gerichtet, die einzig und allein wichtig für ihn war. Er konnte in die Tiefe des Hügels schauen. Er sah das Herz zucken. Er hörte es schlagen. Er und ich sahen, daß es dort

Weitere Kostenlose Bücher