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1063 - Die Nacht vor Walpurgis

1063 - Die Nacht vor Walpurgis

Titel: 1063 - Die Nacht vor Walpurgis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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andere als logisch war. Der Spiegel hätte ihr Ebenbild zurückwerfen müssen. Er tat es nicht, obwohl seine Fläche nicht schmutzig war. Sie schimmerte zwar nicht wie poliert, und natürlich hatte ein alter Spiegel wie dieser immer Kratzer und Flecken, aber ein Bild warf die Fläche schon zurück.
    Jane atmete tief durch. Sie kam sich vor wie jemand, der in eine neue Welt trat.
    Die Distanz zwischen ihr und dem Spiegel war einen großen Schritt weit. Sie stand günstig, um alles zu sehen, nur eben nicht sich selbst, sondern eine andere Person. Leider zeichnete diese sich nicht so scharf ab, wie es sich Jane gewünscht hätte, aber sie konnte erkennen, daß es eine Frau war. Das zeigte der Umriß deutlich. Jane sah auch, daß die Person dunkle Haare hatte.
    Der erste Schock war vorbei. Das Zittern hatte aufgehört. Jane war wieder in der Lage, klar und auch logisch zu denken. Aus Erfahrung wußte sie, daß Spiegel nicht immer nur Spiegel war. Seit seiner Erfindung hatte er die Menschen fasziniert. Ähnlich wie Augen oder Hände, wobei beides als Spiegel der Seele angesehen wurde.
    Und dieser hier?
    Er war ein Tor, ein Eingang. Nicht in ein anderes Zimmer, sondern das Tor zu einer anderen Welt. Zu einer anderen Dimension.
    Möglichweise hinein in ein Hexenreich, denn um Hexen ging es hier, und in der Fläche malte sich ein Frauenkörper ab.
    Jane fühlte sich seltsam berührt. Auf eine rätselhafte Art und Weise angesprochen. Sie grübelte über eine Erklärung nach, ohne sie finden zu können. Bis ihr in den Sinn kam, daß auch in ihr noch die leichten Hexenkräfte schlummerten. So konnte es möglich sein, daß zwischen ihr und der Person im Spiegel so etwas wie eine Seelenverwandtschaft existierte.
    Leider hatte sie die andere Person noch nicht genauer erkennen können. Sie hielt sich schon sehr zurück und war weiterhin eigentlich nur als Umriß zu sehen.
    Noch hatte sich Jane Collins nicht getraut, näher an den alten Spiegel heranzugehen. Wenn sich tatsächlich eine Person dort abzeichnete, die eigentlich hätte tot sein müssen, weil sie ja verbrannt worden war, dann war der Spiegel das Tor zu einer anderen Dimension. Womöglich zu einer Hexenwelt.
    Jane spürte auch die Macht. Sie kam in Wellen. Sie konzentrierte sich innerhalb der Fläche. Sie war kräftig und strömte auch aus ihrem Gefängnis hervor und auf Jane Collins.
    Furcht empfand sie nicht. Es war alles ganz anders. Es war einfach so normal. Wie bei einem Menschen, der zurück in die Heimat geholt werden sollte.
    Jane gab sich einen Ruck. Dabei brauchte sie sich nicht einmal großartig zu überwinden. Wie von selbst setzte sie zuerst das rechte Bein vor, ließ das linke folgen und kam der Spiegelfläche immer näher. Sie wurde gelockt und sah jetzt auch, daß die Fläche nicht glatt war. Sie setzte sich aus unzähligen, winzigen Teilchen zusammen, wie allerkleinste Stücke eines Puzzles.
    Die andere Person im Spiegel bewegte sich nicht mehr. Zuvor war sie einige Male hin- und hergegangen. Jetzt allerdings stand sie still, wie jemand, der wartet.
    Jane lauschte, weil sie erfahren wollte, ob die andere Person mit ihr Kontakt aufnahm. Es hätte ihr schon etwas gegeben, eine Stimme zu hören. Ein leises Flüstern, ein Wispern, das eine Erklärung abgab, daß sie zumindest einen Namen erfuhr. Natürlich hatte sie einen Verdacht, den allerdings sprach sie nicht aus und wartete auch die folgenden Sekunden.
    Sie wurde enttäuscht.
    Nur der Schatten war zu sehen. Manchmal frontal. Manchmal im Profil. Er bewegte sich dabei auf der Stelle, ohne näher zu kommen oder in die Tiefe des Spiegels zurückzuweichen.
    Jane empfand das Verhalten als seltsam und zugleich als eine Aufforderung an sich, etwas zu tun.
    Den Spiegel anfassen. Die Hand über seine Fläche hinweggleiten lassen. Nachforschen, ob sie tatsächlich so rauh war oder vielleicht doch einfach nur glatt.
    Ob sie Widerstand bot oder ob Jane es schaffte, mit der Hand in den Spiegel hineinzudringen, um danach selbst einzutauchen.
    Sehr sanft berührte sie die Fläche. Es war kaum zu spüren. Es gab kein Funken, kein Knistern. Es löste sich keine Spannung. Es lud sich auch keine auf. Der Spiegel war einfach nur normal geblieben, obwohl er für Jane unnormal aussah.
    Aber die Gestalt reagierte. Sie drehte sich wieder und schaute Jane direkt an, obwohl die Detektivin sie nach wie vor nur verschwommen sah.
    Eine Aufforderung?
    Ja, aber anders, als es sich die Detektivin vorgestellt hatte. In ihrem Innern tat

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