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1063 - Die Nacht vor Walpurgis

1063 - Die Nacht vor Walpurgis

Titel: 1063 - Die Nacht vor Walpurgis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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einem Hieb den Schädel ab.
    Deshalb trug sie es so vorsichtig wie ein kostbare Vase aus hauchdünnem Porzellan, und aus ihrer knienden Haltung hervor glitt sie allmählich in die Höhe.
    Die Hände lagen dicht beisammen. Sie berührten sich, und das zuckende Herz hatte mit seiner gesamten Breite auf den Handflächen Platz gefunden.
    »Ja«, hauchte Zora, wobei ihre Stimme ehrfürchtig klang. »Das ist gut so. Das ist wunderbar.« Sie selbst fuhr mit der freien Hand streichelnd über das Herz hinweg. »Nun? Hast du dich bereits daran gewöhnt, Schwester? Denke immer daran, daß es einzig und allein dein Herz ist, das hier liegt. Dein neues Herz. Fang schon damit an, dein altes zu vergessen…«
    Jane Collins gab keine Antwort. Sie wollte es nicht. Sie hatte auch den letzten Rest ihrer Lockerheit verloren und stand starr auf dem Fleck, die Arme vorgeschoben, den Blick auf das pochende Etwas gerichtet.
    Sie nahm die Schläge hin.
    Jeden einzelnen.
    Es zuckte, es schlug, sie hörte die Geräusche, die in ihren Ohren noch lauter klangen. Sie bildeten dort Echos, die sich in ihrem Kopf fortpflanzten, und der eigene Herzschlag war für sie so gut wie nicht vorhanden. Es gab nur den fremden Herzschlag, der bald ihr eigener sein sollte, wenn es nach den Hexenregeln ging.
    »Fühlst du dich schon gut, Schwester?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Keine Sorge, das wird noch kommen. Wir haben jetzt das Tor erreicht, Jane. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, an dem wir die Hexenwelt verlassen können. Wir befinden uns im Hügel, und dieser Hügel ist gleichzeitig ein Tor wie der Spiegel.«
    Was Zora damit meinte, erlebte Jane Collins in den folgenden Augenblicken. Die graue Dunkelheit schien sich in einen Vorhang zu verwandeln, der von verschiedenen Seiten her angehoben wurde und dabei leicht in die Höhe glitt.
    Ein sanftes Gleiten…
    Glitt sie oder die Umgebung?
    Jane bekam es nicht mit. Sie war voll und ganz darauf konzentriert, das verdammte Hexenherz festzuhalten, obwohl sie sich davor ekelte. Noch immer brannte in ihr der Wunsch, es zu Boden zu schleudern und zu zertreten, aber sie wußte auch, daß sie sich zurückhalten mußte.
    In der Hexenwelt hatte es keine Anhaltspunkte gegeben. Sie hatte sich an nichts orientieren können. Auch jetzt war sie anderen Kräften unterlegen, die sich doch zurückzogen, und Jane erlebte wieder die normale Welt. Sie nahm die Natur auf. Sie roch das Gras. Sie spürte den Wind. Sie schaute in die Höhe und sah über sich das gewaltige Spiel der Wolken, die über das dunkle Firmament getrieben wurden.
    Das war die Nacht, die normale Nacht. Die normale Dunkelheit und nicht mehr das düstere Grau der Hexenwelt.
    Das Herz lag nach wie vor auf ihren Händen. Jane hörte jeden Schlag. Er hinterließ Vibrationen, die sich auch in ihre Hände hinein fortpflanzten.
    Noch mußte sie gegen den leichten Schwindeln ankämpfen, der sie beim Verlassen der Hexenwelt befallen hatte. Sehr bald schon fühlte sie sich wieder als Mensch.
    Poch – poch – poch…
    Das Schlagen hörte nicht auf. Es war auch nicht lauter geworden, doch Jane Collins spürte es viel intensiver. Es schien ihr etwas sagen zu wollen, sie aufzufordern, endlich mit dem Austausch zu beginnen.
    Sie achtete nicht mehr darauf. Es kam jetzt einzig und allein auf sie selbst an. Deshalb der tiefe Atemzug. Das Luftholen kam einem Ritual gleich, denn sie wollte Kraft tanken. Nach wie vor hatte sich in ihr der Plan festgesetzt, das Herz fallen zu lassen und es wütend zu zertreten.
    »Nicht doch, Jane… nicht diese Gedanken …« Zora hatte sanft gesprochen. Und sanft war auch die Klinge, die sie gegen Janes Kehle drückte. Aber sanft und tödlich, wenn sich Jane auch nur falsch bewegte.
    »Was weißt du darüber?« fragte sie gepreßt.
    »Alles.«
    Sie schaffte ein Lachen. »Ich werde mich freiwillig nicht…«
    »Du wirst, Jane!« Die Klinge bewegte sich hauchzart an ihrem Hals entlang, doch diese Zartheit täuschte, denn Jane merkte genau, wie sie die Haut fadendünn einschnitt und an der Kehle einen roten Faden hinterließ.
    »Klar, Jane?«
    »Ja…«, würgte sie hervor.
    »Dann können wir weitermachen.«
    »Und wie soll das geschehen?«
    »Es ist leicht. Du brauchst dich nur hinzulegen. Vorsichtig und auf den Rücken. Das Herz wirst du so lange wie möglich festhalten und dann zu Boden legen. Aber vorsichtig, das rate ich dir!«
    Jane Collins wußte, daß die andere Person alle Trümpfe hatte.
    Auf dieser windigen Hügelkuppe war sie die Chefin, und

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