1065 - Die Blutquellen
betäubend gewesen. Er hatte mich aus dem normalen Dasein hervorgerissen und dafür gesorgt, daß mir Dinge gezeigt wurden, die ich zuvor nicht gesehen hatte. Dieser Rauch hatte mich in eine andere Welt oder fremde Zeit geführt.
Er war voller Informationen gewesen. Ein magischer Computer, der seine Botschaft abspielte und mir mitteilte.
Ich faßte das Kreuz an.
Es hatte sich nicht erwärmt. Eine Temperatur wie immer. Nur eben in der Mitte fühlte es sich anders an, denn dort hatte der Blutstropfen eine Kruste hinterlassen, die ich mit der Fingerkuppe abreiben konnte. Wie Staub wurde das letzte Zeug hinweggeweht, bevor es sich auf dem Schreibtisch verteilte.
Ich schloß die Augen. Atmete tief durch. Erst jetzt merkte ich, wie naß ich am Körper war. Die letzten Minuten waren verdammt schweißtreibend gewesen.
Ich richtete meinen Blick auf Bill Conolly. Er hatte sich noch nicht gesetzt. Neben seinem Stuhl stand er und stützte sich am Schreibtisch ab. Er kam mir sprungbereit vor. Sorgenvoll schaute er mich an, um schließlich zu lächeln.
»Allmählich wirst du wieder normal, John.«
»Das will ich auch hoffen.«
Er kam schnell zur Sache. »Wie schlimm ist es denn gewesen?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Mal eine andere Frage, Bill. Was hast du denn gesehen?«
Er lachte und wies mit dem Finger auf mich. »Ich? Sorry, aber ich habe nichts gesehen. Abgesehen von deiner Person, von deinem Verhalten und von dem, was mit dem einen Blutstropfen passiert ist, als er genau auf die Mitte deines Kreuzes fiel.«
»Und wie habe ich mich verhalten?«
Er überlegte. Mit dem Fingernagel kratzte er über seine linke Wange. »Was soll ich da sagen? Du warst anders. Sehr verändert. Du bist mir vorgekommen wie ein Mensch, der plötzlich in eine tiefe Trance hineingesunken war.«
Ich nickte ihm zu. »Da hast du nicht unrecht. Ich weiß nur nicht, ob es eine Trance war. Ich würde es eher als einen Wahrtraum mit einer Erinnerung ansehen. Nein, besser.« Ich schüttelte den Kopf.
»Es ist eine Botschaft gewesen.«
Bill verzog das Gesicht. »Eine Botschaft? Wer hat sie dir denn übermittelt?«
»Das Blut.«
»Ach.«
»Ja, Bill, ja. In ihm waren die Informationen wie in einem modernen Chip. Nur eben auf mystische oder magische Art und Weise. Als es mit dem Kreuz in Verbindung geriet, da lösten sich die Infos und wurden mir übermittelt.«
Bill holte durch die Nase Luft. »Stark, John, echt stark. Nur weiß ich noch immer nicht, welche Informationen das gewesen sind. Kannst du mir da weiterhelfen?«
»Ja«, sagte ich nickend. »Denn ich werde dir die ganze Geschichte erzählen.«
»Dann bitte.«
So einfach war es nicht. Ich legte die Hand flach auf das Kreuz, dachte nach und begann zu erzählen. Bill hörte aufmerksam zu, auch wenn die Worte nur stockend aus meinem Mund drangen. Ich sah auch, daß er Zwischenfragen stellen wollte, doch mein Kopfschütteln hielt ihn immer wieder davon ab.
Es dauerte eine Weile, bis ich ihm alles erklärt hatte, und Bill schaute noch immer sehr ungläubig.
»Es stimmt alles«, sagte ich.
»Ja, John, ja, bestimmt. Du hast es mir erzählt. Einem anderen hätte ich kaum geglaubt. Ich habe auch gesehen, was passierte, als das Blut und das Kreuz sich trafen. Das war der reine Wahnsinn.«
Er pustete die Luft aus.
»Warum fragst du nicht nach einer Erklärung?«
»Hast du denn eine?«
»Jein…«
»Tolle Antwort. Was da aus der Erde gekommen ist, war Blut. Die Blutquellen. Okay, das kann ich noch einigermaßen nachvollziehen. Aber diese Gestalt…« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, John, verdammt, ich weiß nicht…«
»Ein Riese.«
Bill grinste scharf. Wohl mehr aus Verlegenheit. »Das sagst du einfach so?«
»Ja. Ich habe auch meine Gründe, denn ich weiß, daß diese Riesen existieren.« Da er schwieg und nur seine Augenbrauen hob, sprach ich weiter. »Ich habe es erlebt, denn ich brauche da nur zurückzudenken, als Suko und ich mit dem Höllenbild konfrontiert wurden. Da ging es um eine verschwundene IRA-Terroristin namens Arlene Shannon. Sie war plötzlich weg. Und das auf einer Insel. Aber sie tauchte zehn Jahre später wieder auf. Eingeschlossen in ein Bild, auf dem sich ein Riese befand und eine Frau, die sich Myrna nannte, wie ich später erfuhr, als ich in das Bild eintauchte und mich zugleich in Avalon wiederfand.« Ich hob einen Finger. »Es gibt die Riesen, und es gibt sie nicht nur in Avalon. Sie müssen einen Weg gefunden haben, die Nebelinsel zu
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