1066 - Gesils Punkt
sie schien aus ihm einen Narren machen zu wollen. Er stürmte aus der Kabine, doch schon nach wenigen Schritten bereute er seine Handlungsweise und kehrte zurück. Die Tür war nur angelehnt, sie ließ sich wegen des zerstörten Schlosses nicht schließen. Atlan wollte dies als Vorwand für seine Rückkehr verwenden und ihr versichern, daß der Schaden schnellstens behoben werde.
Als er ihre Unterkunft betreten wollte, sah er sie vor einem offenen Schrank stehen und irgend etwas betrachten, das auf die Innenseite der Schranktür geheftet war. Für einen Moment glaubte Atlan, durch ihre Augen ein Männerbildnis zu sehen, ohne jedoch Einzelheiten erkennen zu können. Eifersucht wollte in ihm aufkommen. Aber da glaubte er Gesils zurechtweisenden Blick förmlich auf seiner Haut zu verspüren - und das, obwohl sie ihm scheinbar keine Beachtung schenkte.
Irgendwie machte sie ihm deutlich, daß er unerwünscht war und sie mit dem Männerbildnis allein sein und es ungestört betrachten wollte.
Atlan ging endgültig.
*
Melborn war immer noch nicht aus der Bewußtlosigkeit erwacht, aber die Ärztin versicherte, daß sein Zustand keinen Grund zur Besorgnis gab.
„Es ist, als schlafe der Patient nur."
Inzwischen war der Name von Melborns Begleiter bekannt. Er hieß Bescam und gehörte dem Hangar-Personal an. Niemand wußte, wo er war, ein Aufruf über die Rundrufanlage blieb erfolglos, Nachforschungen ergaben nichts.
Atlan glaubte nicht, daß Melborn oder Bescam irgend etwas mit dem Überfall auf Gesil zu tun hatten. Aber sie waren wichtige Zeugen, die vielleicht Licht in diese mysteriöse Angelegenheit hätten bringen können.
Gerade als Atlan die Krankenstation verließ, in der Melborn untergebracht war, traf Caela ein. Atlan kannte sie und wußte, daß sie mit Melborn eine Lebensgemeinschaft einzugehen beabsichtigte. Atlan unterhielt sich mit ihr und versuchte, sie vorsichtig über Melborn auszufragen, es war ein offenes Geheimnis, daß er von Gesil schwärmte.
„Wenn du mehr darüber wissen willst, dann solltest du dir einmal Mels Aufzeichnungen ansehen", sagte Caela. „Er hat eine Art Bild-Ton-Tagebuch geführt, wenn ich im Dienst war. Ich bin zufällig darauf gestoßen, als er einmal vergaß, es vor mir zu verstecken.
Darin sind alle seine Abenteuer mit Gesil aufgezeichnet."
„Das würde mich schon interessieren", meinte Atlan. „Aber dazu brauchte ich Melborns Einverständnis."
„Und wenn er nicht mehr... erwacht?" fragte Caela.
„Diese Befürchtung ist unbegründet", beruhigte Atlan sie.
Von der Krankenstation begab er sich in die Kommandozentrale. Dort erfuhr er von Tanwalzen einige Neuigkeiten. Die SOL hatte den Kurzflug über 20.000 Lichtjahre beendet und den neuen Standort jenseits der Kleingalaxie erreicht. Das abschließende Bremsmanöver lief gerade aus, man war am „Hoffnungspunkt Nr. 18" angelangt.
Tanwalzen bot Atlan an, die neuerlichen Kursberechnungen selbst zu leiten, und der Arkonide stimmte zu. Er versuchte in der Folge, sich auf seine Tätigkeit zu konzentrieren.
Aber es war reine Routine, und schon die ersten Messungen zeigten, daß sie nicht mit sensationellen Ergebnissen rechnen durften. Ohne SENECAs volle Unterstützung konnten sie nicht mehr erwarten, als sich allmählich an ihr Ziel heranzutasten. Sie konnten noch Wochen oder Monate unterwegs sein, die Hochrechnungen ließen das offen.
Es mochte sein, daß sie einen Zufallstreffer landeten und jene Galaxis fanden, die alle charakteristischen Merkmale der Milchstraße aufwies. Es konnte aber auch genau so gut sein, daß ihnen ein zermürbender Ausscheidungsprozeß nicht erspart wurde, bei dem letztlich nur eine Galaxis unter Tausenden übrigblieb, von der sie mit an Gewißheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen konnten, daß es die Milchstraße war.
Atlan war nicht bei der Sache, er schweifte in Gedanken immer wieder ab. Er hatte geglaubt, sich Ablenkung zu verschaffen, wenn er sich auf diese Weise beschäftigte. Aber er wurde auch immer wieder anderweitig abgelenkt. Die Suchtrupps meldeten, daß von Bescam noch immer jede Spur fehlte. Maer Asgard rief aus der Krankenstation an und ließ ihn wissen, daß Melborns Zustand unverändert sei.
Und die ersten Teilergebnisse für die Kursberechnungen warfen so viele neue Unklarheiten auf, daß sie zu deren Klärung noch lange am „Hoffnungspunkt Nr. 18" ausharren mußten.
Das gab den Ausschlag für Atlan.
Er verließ die Kommandozentrale und suchte den Wohnsektor auf,
Weitere Kostenlose Bücher