107 - Das Monster aus der Todeswolke
passiert? Was denn?«
Marlies biß sich auf die Unterlippe. Der Ausdruck in ihren Augen veranlaßte Dieter Schwarz, das Spiel zu unterbrechen. Er erhob sich, packte das Mädchen schmerzhaft fest am Oberarm und zog sie mit sich in den Waschraum für Damen.
»Ich hoffe, du hast ’ne echte Sensation für mich, Süße, sonst kannst du was erleben!« knurrte der Zuhälter. »Wieso bist du schon wieder hier?«
Marlies lehnte sich neben einer Waschmuschel an die Wand. Jetzt spürte sie erst, wie fertig sie war. »Ich… ich überlegte, ob ich zur Polizei gehen sollte…«
Schwarz kniff die Augen unwillig zusammen. »Nichts kann so fürchterlich sein, als daß wir zu den Bullen rennen«, sagte er. »Habe ich dir das nicht schon Hunderte Male gesagt? Wir brauchen die Bullen nicht. Wir können alles selbst regeln. Was hat’s gegeben?«
Marlies sah ihren Freund mit zuckenden Lidern an. »Iris lebt nicht mehr, Dieter.«
»Was redest du da?«
»Der Amerikaner hat sie umgebracht… Und Wied hat er auch die Kehle durchgeschnitten… Und…«
»Nun mal langsam«, sagte Schwarz unangenehm berührt. »Soll das heißen, der Amerikaner verfiel plötzlich in einen Blutrausch?«
Marlies nickte, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Oh, Dieter, es war entsetzlich. Vor allem die Art, wie er’s machte… Mit einem Rasiermesser… Und er hielt das Messer nicht einmal in der Hand… Und der Champagner in der Badewanne kochte… Iris lag darin - mit durchgeschnittener Kehle…«
»Sag mal, stehst du unter Drogen, oder was ist los mit dir?« fragte Dieter Schwarz ärgerlich. »Was erzählst du mir denn da für einen haltlosen Blödsinn?«
»Alles ist wahr, Dieter. Ich schwör’s!«
»Iris liegt in kochendem Champagner. Der Amerikaner killt Leute mit ’nem Rasiermesser, daß er nicht in der Hand hält…«
»Es schwebte«, sagte Marlies.
»Was haben die dir gegeben? Mit welchem Dreckszeug haben sie dich vollgepumpt, he?«
»Ich stehe nicht unter Drogen, und ich bin stocknüchtern, Dieter.« Marlies erzählte, was sich in Wieds Haus abgespielt hatte.
Zunächst sah der Zuhälter sie ungläubig an, aber allmählich rang er sich zu der Erkenntnis durch, daß die Geschichte zumindest einen wahren Kern haben mußte, der aus der Tatsache bestand, daß Jerry LeRoy zwei Menschen ermordet hatte.
»Was soll nun geschehen, Dieter?« fragte Marlies.
Schwarz kratzte sich hinter dem Ohr. »Du warst nicht da. Hast du mich verstanden? Du warst nicht in diesem Haus. Die Bullen können verdammt unangenehme Fragen stellen. Die sind so dämlich und kommen womöglich noch auf sie Idee, daß ich in der Sache mit drinstecke.«
»Warum sollten sie…«
»Glaub mir, ich kenne diese Typen besser als du. Die kommen manchmal auf Ideen, da greifst du dir glatt an den Kopf.«
»Sie werden zu mir kommen, sobald sie Iris gefunden haben«, sagte Marlies. »Schließlich besteht zwischen ihr und mir eine Verbindung.«
»Ich werde dafür sorgen, daß Iris nicht da ist, wenn sie in Wieds Haus kommen. Laß mich nur machen. Ich regle die Angelegenheit in unserem Sinn. Hauptsache ist, daß du die Klappe hältst.«
»Willst du Iris aus diesem Haus holen?« fragte Marlies erschrocken.
»Was bleibt mir denn anderes übrig?«
»Vielleicht ist LeRoy noch da.«
Dieter Schwarz grinste. »Keine Angst, Baby, mit dem werde ich fertig. Ich laß’ Iris so verschwinden, daß sie nie mehr auftaucht.«
»So etwas ist unmöglich.«
»Nicht für mich. In Wedding gibt es eine Großbaustelle. Es genügt ein bißchen Beton, und Iris liegt für immer im Fundament.«
Marlies sah ihn bestürzt an. »Das kannst du mit Iris doch nicht tun.«
»Süße, sie lebt nicht mehr. Iris ist tot. Der ist doch völlig egal, was mit ihr geschieht. Und nun reiß dich zusammen. Geh nach Hause und vergiß, was du erlebt hast. Und vor allem: Sprich mit keiner Menschenseele darüber, klar?«
***
Das Telefon läutete. Mr. Silver hob ab und hielt mir dann den Hörer entgegen. »Für dich, Tony«, sagte er.
Ich nahm ihm den Hörer aus der Hand. »Ja?«
Am anderen Ende war Vicky Bonney. »Wie verliefen Lances Tests?« erkundigte sie sich.
»Wir können Shavenaar vertrauen«, antwortete ich. Das kleine Risiko, das es dabei immer geben würde, verschwieg ich. Ich wollte Vicky nicht beunruhigen.
Ihre Stimme klang so, daß ich mich genötigt sah zu fragen, ob zu Hause alles okay wäre.
»Ja, daheim ist alles bestens«, antwortete Vicky. »Aber Noel Bannister scheint Probleme zu
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