1070 - Marens kleiner Horror-Laden
Spiegel gab es trotzdem. Ihm war nicht passiert, und ich sah auch kein Einschußloch.
Er war stark. Er war wahnsinnig stark. Er hatte auch mich überlistet. Ich hätte mich mehr um Asgard kümmern sollen, vielleicht hätte es ihn dann noch gegeben. Jetzt war es zu spät, und ich mußte den neuen Gegebenheiten Rechnung tragen.
Es ging nur weiter, wenn es mir gelang, den Spiegel zu zerstören. Alles andere konnte ich vergessen. Er mußte vernichtet werden, und ich fragte mich inzwischen, ob mein Kreuz dazu in der Lage war, denn gegen die Magie der Druiden war es noch nie sehr erfolgreich gewesen. Und erst recht nicht gegen die uralten Kräfte, von denen Asgard berichtet hatte.
Auch Maren war noch da. Ich hörte ihre leisen Schritte. Sie hatte ebenfalls alles mit ansehen müssen und war natürlich geschockt.
Ich nahm sie aus dem Augenwinkel wahr und warnte sie. »Bleib da, Maren.«
Sie kam tatsächlich nicht näher. Aber sie hatte Fragen. Zuerst aber mußte sie etwas loswerden und sprach flüsternd davon, daß sie so etwas nicht begreifen konnte.
»Ich weiß, es fällt auch mir schwer. Wir müssen uns damit abfinden, daß es Asgard nicht mehr gibt und der Spiegel verdammt stark ist.«
»Kann er auch uns holen?«
Ich hob die Schultern. »Genau weiß ich das nicht. Aber er wird es möglicherweise versuchen.«
»Im Moment ist er ruhig…«
»Stimmt, nur das Vibrieren ist nicht verschwunden. Das genau bereitet mir Sorge.«
Maren rückte mit einem Vorschlag heraus. »Wie wäre es, wenn wir verschwinden, John? Wir lassen alles im Stich. Es ist mir auch egal, ob das nun mein Laden ist oder nicht.« Sie war jetzt dicht an mich herangetreten und schaute zu mir hoch. Ihr warmer Atem schlug mir entgegen. »Bitte, John, laß uns verschwinden.«
Ich konnte sie verstehen. Man brauchte sie nur anzuschauen, um die Angst in ihren Zügen zu lesen. Sie hatte schiimme Dinge erleben müssen. Das war sie nicht gewohnt, im Gegensatz zu mir.
»Sollen wir?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, Maren, nicht gemeinsam. Ich möchte, daß du den Laden verläßt.«
»Ohne dich?«
»Ich bleibe.«
Für einen kurzen Augenblick sagte sie nichts und wirkte dabei wie verkrampft.
Dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, John, das werde ich nicht. Wir sind gemeinsam gekommen, und wir werden den Laden auch gemeinsam verlassen.«
»Denk an die Gefahr«, sagte ich, fuhr zu ihr herum und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Das ist kein Spiel, es hat zwei Tote gegeben. Willst du die dritte sein?«
Maren hatte sich wieder gefangen und die Angst überwunden. »Verdammt, was redest du denn immer nur von mir? Du bist ebenfalls in Gefahr. Ist dir das egal?«
»Nein, ist es nicht, verflucht. Aber das hier ist mein Job. Ich kenne mich aus.«
»Wie willst du den Spiegel denn vernichten?«
»Das laß meine Sorge sein.« Ich schaute wieder hin. So harmlos hing er an der Wand, als wäre nichts geschehen. Aber es war etwas passiert, das sah ich jetzt, als mein Blick auf den Totenschädel fiel, der sich vom unteren Rand her abhob.
Das Knochengesicht war zwar starr, aber es hatte sich verändert. Es war in die Breite gezogen worden, es schien mich jetzt anzugrinsen, um seinem Triumph Ausdruck zu verleihen.
Die Veränderung machte mich nachdenklich. Ich wußte nicht, wie ich sie einordnen sollte. Dieses Gesicht hatte etwas zu bedeuten, das war mir jetzt klar. An der Wand hing auch keine Nachbildung, das war der echte Spiegel, und plötzlich konnte ich mir vorstellen, daß es auch ein echter Totenschädel war, der den Rahmen zierte. Möglicherweise der des Menschen, der den Spiegel hergestellt hatte. War er der Punkt, um den sich alles drehte?
Allmählich ging ich davon aus, und auch Maren fiel auf, wohin ich schaute.
»Was hast du, John? Was ist mit dem Schädel? Warum starrst du ihn an?«
Ich lächelte ein wenig kantig. »Es könnte sein, daß ich soeben die Lösung für unser Problem gefunden habe.«
»Wieso?«
»Warte ab.«
»Es ist der Kopf, nicht wahr?«
Ich wollte nicken, doch dazu kam es nicht mehr, denn uns erschreckten beide die polternden Geräusche. Sie waren nicht hier oben aufgeklungen, sondern unten im Keller.
Zugleich nahm das Zittern und Vibrieren des Bodens zu. Wir hatten das Gefühl, regelrechte Schläge zu erhalten, die sich durch den Boden weiterpflanzten und uns durchschüttelten.
Maren, die sich in den letzten Sekunden an mir festgehalten hatte, ließ mich los und trat einen Schritt zur Seite. »Aus dem Keller«,
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