1074 - Das Templerkreuz
alles gehört und verstanden hatte.
Sein Streß war sowieso schon derartig hoch gewesen, daß er gut hatte schauspielern können.
Raoul sprach wieder Englisch. »Wir haben unsere Versprechen immer gehalten, auch jetzt.«
Bill flüsterte: »Was habt ihr vor?«
»Ihr werdet sterben!«
»Und wo?«
»Gleich hier in der Nähe. Der Turm wartet auf euch. Wer kann schon von sich behaupten, so ein tolles Grab zubekommen…?« Der Rest des Satzes erstickte in einem häßlichen Lachen…
***
Der Turm!
Er war eine Falle. Ein düsteres Gefängnis. Unheilschwanger, mit nur wenig Licht, das seinen Weg durch irgendwelche Ritzen fand und sich kaum ausbreiten konnte.
Der Turm war ein Grab. Ein großes, düsteres Grab, in dem es auch roch wie unter der Erde. Nach Steinen, nach altem Holz, nach Vergangenheit und Vergänglichkeit.
Beim Gehen hatten die Füße der beiden Gefangenen Staub aufgewirbelt, der sich auf Mund und Nase gelegt hatte und an den Schleimhäuten kitzelte.
Es war kälter und klammer geworden. Das dicke Mauerwerk des Kirchturms hielt die Hitze ab. Die Lücken, durch die Lichtstreifen fielen, lagen zwar in der Nähe und an den Seiten, doch sie wirkten auf Sheila und Bill sehr weit entfernt. Bis nach oben mußten sie steigen, das hatte man ihnen gesagt.
So hatten sie sich ihren Urlaub wirklich nicht vorgestellt. Vom Himmel in die Hölle. Von der Wärme in die Kälte. Bedroht von zwei Männern, die sofort schießen würden, wenn sie sich nur falsch bewegten oder zu fliehen versuchten.
Ihre Gesichter waren blaß und angespannt. Sheila und Bill, die hintereinander hergehen mußten, hingen ihren Gedanken nach, die sich bestimmt nur um das eine Thema drehten. Sie hatten nur einem Freund einen Gefallen tun wollen, nun aber waren sie ohne Chance.
Bill hatte hin und her überlegt, wie er es schaffen konnte, auch diesem Dilemma herauszukommen.
Es gab vorerst keinen Weg. Die MPi war einfach ein zu starkes Argument.
Die Männer gingen hinter ihnen. Bill hatte die Spitze übernehmen müssen, und Sheila schaute auf seinen Rücken. Die Stufen waren nicht sehr breit, dafür steil und auch nicht gleichmäßig hoch, und so war es gar nicht einfach, bis nach oben zu gehen. Sehr leicht hätten sie stolpern können.
Am rauhen Geländer hielten sie sich fest. Je höher sie kamen, um so stärker spürten sie den Druck.
Über ihnen, irgendwo im Gebälk des Glockenturms, sollten sie ihr Grab finden. Erschossen, liegengelassen, bis sie irgendwann gefunden wurden, weil jemand im Ort aufgefallen war, daß die Glocken nicht mehr läuteten.
Sheila spürte den Druck am und im Kopf. Er wurde von unsichtbaren Kräften zusammengepreßt. Er beeinträchtigte ihr Denken. Sie ging zwar immer höher, doch das Steigen nahm sie kaum wahr. Ihre Bewegungen waren wie automatisch. Längst hatte sich auf ihrem Gesicht eine Staubschicht abgesetzt, die ebenso auf den Lippen klebte. Spinnweben hingen lang von der Decke herab und huschten sacht über die Gesichter hinweg.
Das Blut an der Kehle war inzwischen getrocknet. Ab und zu nur spürte sie ein Zucken an der Haut, ansonsten dachte sie mehr an die Zukunft, die für sie keine werden würde.
Hinter ihr gingen die Killer. Zwei Männer, die es gewohnt waren, andere zu töten. Sie hatten kein Gefühl gezeigt.
Und alles nur wegen eines Kreuzes!
Sheila konnte es nicht nachvollziehen. Gut, das Kreuz war sicherlich wertvoll, aber es wollte ihr nicht, in den Kopf, daß dafür Menschenleben geopfert wurden.
Es sei denn, es steckte mehr dahinter. Der Name Baphomet war gefallen. Obwohl Sheila versuchte, sich möglichst aus den Fällen herauszuhalten, war sie öfter indirekt davon betroffen. So stand sie zwar nicht immer an vorderster Front wie ihr Mann Bill, Informationen allerdings waren ihr nicht vorenthalten worden. Sie kannte sich aus, sie wußte über Hintergründe Bescheid und natürlich auch über die Templer, die sich im großen und ganzen in zwei Gruppen aufteilten. Wobei die eine Gruppe den normalen Weg gegangen war und die alten Ideale der Mönchsritter verfolgte, während die zweite Gruppe sich dem Teufel in der Form des Dämons Baphomet verschrieben hatte. Beide Gruppen bekämpften sich. Die um Baphomet ging brutal vor, sie wollte die Macht erlangen und die anderen ausradieren. Der Kampf wurde rücksichtslos und mit harten Bandagen geführt. Er lief allerdings zumeist im Untergrund ab, denn die normale Welt bekam davon nicht viel mit.
Das Kreuz der Templer, ein wertvolles Kleinod,
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