1075 - Die Waffe der Porleyter
ebenfalls sehen. Dazu brauche ich aber nicht in eine Schleuse zu gehen, denn wir verfügen über Bildschirme, wie Ihnen möglicherweise schon einmal zu Ohren gekommen ist!"
„Was bildet dieser Kerl sich eigentlich ein?" fuhr Cerai Hahn auf.
„Dieser Kerl", erwiderte die Stimme gelassen, „ist der Ansicht, daß wir endlich starten sollten. Er ist der Überzeugung, daß es völlig nutzlos ist, nach dem Porleyter Ausschau zu halten. Entweder hat das Wesen in der Kärraxe unsere Spur verloren, oder es befindet sich bereits an Bord. Von der Schleuse aus werden Sie es jedenfalls weder beobachten noch aufhalten können."
Es knackte. Cerai Hahn und Nuru Timbon sahen sich bedeutungsvoll an. Der Admiral hatte abgeschaltet.
Unterdessen hatte Aerthan den Horizont erreicht. Die Landschaft von Yurgill glühte ein letztes Mal auf, aber zwischen den glimmenden Federwolken leuchteten bereits die gleißenden Sterne auf. Man befand sich in unmittelbarer Nähe zum Mittelpunkt eines Kugelsternhaufens. Es würde nachts kaum dunkler werden. Nur die Farben würden sich verändern.
„Gehen wir", seufzte Nuru Timbon. „Ich gebe ja zu, daß er möglicherweise recht hat - aber er könnte sich trotzdem rücksichtsvoller ausdrücken."
Sie warteten gespannt darauf, daß Callamon sich erneut melden würde, aber er tat ihnen diesen Gefallen nicht.
„Warum will er unbedingt nach Zhruut?" überlegte Cerai, während sie sich auf die Kommandozentrale zubewegten.
„Wegen der WAFFE", murmelte Timbon. „Er gibt das zwar nicht zu, aber ich bin sicher, daß es so ist."
„Nicht nur wegen der WAFFE", widersprach Cerai. „Es steckt noch etwas dahinter: Voire!"
„Er hat dieses Wort irgendwann erwähnt, aber ich weiß nicht, was es bedeutet", gestand Timbon.
„Ich habe es über den Computer versucht", erklärte Cerai Hahn. „Es gibt dieses Wort in verschiedenen Sprachen. Die Übersetzungen reichen von ‚wahrnehmen’ über ‚sehen’ bis zu ‚Wachsamkeit’ oder ,Wächter’. Das Wort kann aber auch ein Trugbild, eine Halluzination, eine Illusion oder eine Einbildung bezeichnen. Es kann sich um ein Idol, aber auch um ein Ideal handeln. Wir haben die freie Wahl."
„Nein", sagte Timbon bedächtig. „Eben die haben wir nicht. Wir müssen davon ausgehen, daß Voire etwas ist, das für die Porleyter außerordentlich wichtig ist. Voire wird nicht vieldeutig, sondern eindeutig festgelegt sein. Wie lautet die Übersetzung in der Sprache der Mächtigen?"
„Selbst da gibt es verschiedene Möglichkeiten", erklärte Cerai Hahn nachdenklich. „Die Sprache der Mächtigen ist sehr komplex, aber sie läßt sich in drei Bereiche unterteilen.
Eine große Anzahl von Wörtern sind neutral. Sie bezeichnen Handlungen, Zustände, Eigenschaften. Im allgemeinen werden sie in der Ursprungsform gebraucht, aber durch bestimmte Nuancen in der Aussprache und in der Betonung kann man ihnen einen negativen oder positiven Wert verleihen, oder sie als indifferent erklären. Es gibt aber auch Wörter, die von vornherein wertend sind. Sadismus, Krieg und Mord zum Beispiel lassen sich in diesen Vokabeln nur negativ ausdrücken, Geburt, Tod, Verständnis und Liebe dagegen nur positiv."
„Und zu welcher Gruppe gehört Voire?"
„Dieses Wort ist nie zuvor in die Speicher eingespeist worden", erklärte Cerai bedrückt.
„Aber du hast doch eben gesagt..."
„Ich weiß", wehrte sie ärgerlich ab. „Aber das waren Ableitungen. Unsere Kenntnisse dieser Sprache sind ziemlich gering. Ich würde annehmen, daß Voire zur positiven Gruppe gehört, aber ich bin mir nicht restlos sicher. Außerdem ergibt es keinen Sinn."
„Warum nicht?"
„Nach allen Ableitungen bezeichnet dieses Wort allem Anschein nach nur einen besonderen Zustand oder eine Fähigkeit", sagte Cerai zögernd.
„Zum Teufel mit all der Theorie!" brauste Timbon auf. „Wie würdest du es übersetzen?"
„Liebe", sagte Cerai leise. „Und zwar die reinste und höchste Form der Liebe. Und nun frage ich dich: Wie paßt das zu dem Begriff WAFFE? Es muß ein Fehler vorliegen. Irgendwo habe ich etwas falsch interpretiert."
Timbon sah sie nachdenklich an.
„Vielleicht", meinte er schließlich schulterzuckend. Dann blieb er plötzlich stehen und sah in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
„Haben wir eigentlich die Schleuse geschlossen?" fragte er erschrocken.
„Natürlich haben wir das!" sagte Cerai spontan, dann zögerte sie. „Oder nicht? Verdammt, was ist los mit uns? Was hatten wir dort
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