1081 - Die Mutprobe
nicht, denn der Eindringling versuchte es noch einmal.
Nein, so nicht. Um meine Hände zu schonen, hatte ich zur Waffe gegriffen und benutzte sie als Schlaginstrument.
Sie prallte gegen die Stirn des noch jungen Mannes, dessen Gesicht plötzlich einen erstaunten Ausdruck annahm, als hätte er in mir den Weihnachtsmann gesehen.
Dann war für ihn die Sache gelaufen. Mit einem letzten Seufzer sank er zusammen und blieb bewußtlos liegen.
Ich erhob mich noch nicht. Drehte seine Arme auf den Rücken und schmückte die Gelenke mit den stählernen Kreisen der Handschellen. Jetzt war ich zufriedener und richtete mich wieder auf.
Milena stand am Fenster. Sie hielt sich tapfer und schaffte sogar ein Lächeln, obgleich sie zitterte.
»Habe ich Ihnen nicht gesagt, Mr. Sinclair, daß das Böse unterwegs ist?«
»Ja, das haben Sie. Und jetzt glaube ich Ihnen auch. Nur hätte ich nicht gedacht, daß uns die Hölle oder wer auch immer einen noch so jungen Menschen geschickt hätte. Das hat mich schon sehr überrascht, wenn ich ehrlich bin.«
»Was ist denn mit ihm? Ich habe es nicht so genau mitbekommen.«
»Er ist bewußtlos.«
»Dann wird er bald sprechen können.«
»Ich hoffe es.«
»Gut.« Sie wollte noch etwas sagen, blieb jedoch stumm und schaute an mir vorbei, die Augen weit erstaunt aufgerissen.
Ich drehte mich.
Da stand Suko. Wir hatten sein Eintreten nicht gehört. Er lehnte am Türrahmen, grinste mir etwas zu verzerrt, und ich sah auch, daß er seine Hand auf die linke Bauchseite gepreßt hielt. Die dunkle Flüssigkeit auf seiner Haut war nicht zu übersehen. Ich wußte sofort, daß es Blut war.
Bevor ich eine Frage stellen konnte, sprach er. Seine Worte hörten sich alles andere als lustig an.
»Ich denke, daß ich jetzt noch einmal Geburtstag feiern kann…«
***
Mein Schlag war hart genug gewesen, um dem jungen Mann für längere Zeit das Bewußtsein zu rauben. So konnten wir uns um Suko kümmern. Das heißt, diese Aufgabe übernahm mehr Milena.
Sie war in ihr kleines Bad geeilt und war mit einem Verbandskasten zurückgekommen.
Suko hockte mit nacktem Oberkörper schräg im Sessel und ließ die Behandlung über sich ergehen.
Wir hatten ihn noch nicht gefragt. Erst mußte der tiefe Kratzer auf der Bauchdecke verarztet werden.
Suko hatte wirklich wahnsinniges Glück gehabt. Etwas tiefer, und es wäre um ihn geschehen gewesen. Manchmal trennt einen Menschen wirklich nur ein dünner Pfad vom Leben zum Tod.
Milena war eine gute Krankenschwester. Ich brauchte nichts zu tun. Sie arbeitete geschickt mit Verbänden, Salben und Pflastern. Ich dachte daran, daß das Schicksal in der letzten Zeit doch hart zugeschlagen hatte. Vor kurzem noch Freund Harry Stahl mit der Beinwunde, jetzt war Suko an der Reihe.
Daß es gerade ihn erwischt hatte, wunderte mich besonders. Wo er immer so vorsichtig war und sich auf seinen Instinkt verließ. Aber auch er war ein Mensch.
Ich hatte das Messer aufgehoben und schaute es mir an. Es war eine mörderische Klinge. Ein Fleischermesser, das auch zur Ausrüstung manchen Haushalts gehörte. Damit konnte man schon verdammt schlimme Dinge anstellen.
Ich legte es auf die Fensterbank und wandte mich dann den beiden zu. Obwohl das Hemd von großen Blutflecken durchtränkt war, zog Suko es wieder an. Das tat er allein, darauf hatte er bestanden.
An seinem Gesicht war nicht abzulesen, ob ihn Schmerzen quälten oder nicht.
»Er hätte dich fast geschafft, wie?«
»Das kannst du laut sagen.«
»Wie ist es passiert?«
Suko erzählte uns seine Geschichte. Er hatte sich einfach vom Alter und vom Aussehen des jungen Mannes blenden lassen und sich nicht vorstellen können, daß er zur anderen Seite gehörte.
»Das muß er wohl«, sagte Milena Kovac. »Ich bin ihr ein dicker Dorn im Auge.«
»Aber nicht ihm.« Ich wies auf den Jungen.
»Auch, John Sinclair, auch.« Sie räusperte sich. »Wenn ich richtig darüber nachdenke, muß ich einfach zu dem Ergebnis kommen, daß er geschickt worden ist.«
»Von wem?«
»Genau das sollte er uns sagen. Ich weiß es nicht. Ich bin nur jemand in die Quere gekommen, auch wenn ich mich wiederhole. Mit Namen kann ich nicht dienen.«
Ich erinnerte mich noch einmal an seinen Auftritt. »Der war besessen«, sagte ich leise. »Der war wie aufgedreht. Er wollte nur töten. Man kann ihn schon mit einem Amokläufer vergleichen. Der Einfluß des anderen muß verdammt stark sein.«
»Wer bleibt da, Mr. Sinclair?«
Ich zuckte die Schultern.
»Der
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