1081 - Die Mutprobe
Er ließ es bleiben und sagte statt dessen:
»Wir werden jetzt gemeinsam zu ihr gehen, dann können Sie Milena Kovac erzählen, was Sie tatsächlich von ihr wollen. Ich werde auch dabei sein, und zudem hat Milena Sie bereits am Fenster gesehen.«
»Das weiß ich.«
»Ich verstehe nur nicht, warum Sie sich so geheimnisvoll benommen haben. Sie hätten klingeln und dann normal hereinkommen können. Das wäre nicht schlimm gewesen.«
»Ich wollte nachsehen, ob sie da ist. Es ist mitten in der Nacht, verstehen Sie? Da will man sicher sein.«
»Das kann ich mir vorstellen. Sie hätten ihr nur zuvor Bescheid geben sollen, das wäre besser gewesen.« Suko winkte ab. »Das ist jetzt egal. Sie können schellen.«
Das tat Mike noch nicht. Er fragte: »Und was passiert dann?«
»Wir gehen gemein…«
»Ach so, ja.«
Suko schüttelte den Kopf. Dieser Junge schien tatsächlich durcheinander zu sein. An seinem Verhalten war nichts normal, selbst seine Haltung nicht. Er stand leicht geduckt und hatte die Hände vor der Brust verschränkt.
Auch jetzt bewegte er sich nur langsam. Er drehte sich nach rechts, wo auch Suko stand. Dort klebte das helle Klingelschild an der dunklen Mauer.
Suko war ein Mensch, der ein Näschen für Gefahren besaß. In diesem Fall allerdings verließ ihn der Instinkt, und das bewies wieder, daß er nicht allmächtig war. Aus der so matten Gestalt wurde plötzlich ein explodierendes Kraftpaket. Er reagierte so schnell, daß Suko überrascht wurde. Mike wuchtete den Körper nach vorn, und zugleich änderte sich seine Haltung. Das Messer hielt er bereits in der Hand, doch er hatte es versteckt gehabt.
Sofort stieß er zu.
Suko kam nicht mehr weg.
Die Klinge traf ihn in Bauchhöhe!
***
»Das dauert aber lange«, sagte Milena zu mir.
»Was?«
Sie hatte sich eine dünne Zigarre angesteckt und qualmte einige Wolken. »Bis Ihr Freund zurückkehrt.«
Ich winkte ab. »Wissen Sie, Milena, Suko ist ein Mensch, der auf Nummer Sicher geht. Er gibt sich nicht damit zufrieden, mal hier oder mal da einen Blick hineinzuwerfen. Er forscht nach. Er sucht sich bestimmte Wege. Er setzt Gedanken in die Tat um. Und glauben Sie mir bitte. So etwas wie dies hier erleben wir nicht zum erstenmal. Das ist für uns schon so etwas wie Routine. Deshalb wissen wir beide genau, wie wir uns zu verhalten haben.«
Sie hob die Schultern. »Ich weiß nicht, ob das alles so stimmt. Aber ich bin mißtrauisch.« Sie nahm noch einen Zug aus der Zigarre und erhob sich.
Ich hielt sie nicht auf, als sie zum Fenster ging und davor stehenblieb. Sie warf einen Blick nach draußen und meldete mir dann, daß sie nichts sah.
»Ich sagte Ihnen doch schon, daß Suko ein sehr gründlicher Mensch ist. Der sucht bestimmt nicht nur an der Rückseite, der wird sich auch vorn umschauen.«
»Ja, das kann sein.« Milenas Stimme hatte etwas müde geklungen, und sie drehte sich wieder um.
»Sicher bin ich mir nicht, Mr. Sinclair. Diese böse Kraft ist verdammt gefährlich. Man darf sie auf keinen Fall unterschätzen. Ich weiß das. Ich kenne sie zwar nicht genau, aber ich habe sie gespürt, und ich bin sensibel genug, um daraus etwas zu lernen. Das können Sie mir glauben.«
»Es bestreitet auch niemand. Aber jetzt haben Sie Schutz. Da würde ich an Ihrer Stelle etwas optimistischer denken.«
»Meinen Sie?«
»Und ob.«
»Ich nicht, Mr. Sinclair. Was ich gespürt habe, ist verdammt mächtig gewesen. Nicht allmächtig, das nicht, aber es hatte eine besondere Kraft, und ich habe dabei tatsächlich an die Hölle und den Teufel gedacht.« Sie blickte mich direkt an. »Eine Frage habe ich. Glauben Sie an den Teufel und die Hölle?«
»Es ist schwer, darauf eine Antwort zu geben.«
»Bitte, Sie brauchen nur zuzustimmen oder zu verneinen, das ist alles.«
»Es gibt eine Hölle, das denke ich schon. Allerdings nicht so, wie man sie noch immer den Kindern beibringt. Als feuriges, schreckliches Gebiet, in dem der Mensch seine Sünden ableisten muß, um später zu verglühen. An diese Hölle glaube ich nicht. Es gibt auch das Böse, und es hat sich auf dieser Erde in unterschiedlichsten Gestalten und Formen manifestiert. Das alles weiß ich. Aus diesem Grunde nehme ich Ihre Aussagen auch nicht auf die leichte Schulter.«
»Danke, das habe ich nur hören wollen. Ich hatte schon befürchtet, daß Sie mich für eine Spinnerin halten.« Sie schaute auf die Zigarre im Ascher und nahm sie nicht wieder hoch. »Es gibt ja genügend Kollegen und Kolleginnen,
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