1084 - Operation Kardec-Schild
konnte. Nachdem der Störgeräuschpegel durch mehrfache Filterung um 40 Dezibel verringert worden war, kam ihre Stimme zum Vorschein. Sie nannte keinen Namen, aber Atlan war überzeugt, daß die Nachricht ihm galt. Sie läutete: „Triff mich am Haus der Zwergmagier. Ich warte."
*
„Wetterkontrolle, Station Mexiko-Stadt", meldete sich die bärbeißige Stimme eines Mannes, dessen Gesicht im selben Augenblick auf der Videoscheibe materialisierte.
Guty Cardenas musterte ihn mit feindseligem Blick.
„Was macht der verdammte Hurrikan?" knurrte er.
„Standort Montego Bay, Vorwärtsbewegung zweiundzwanzig Kilometer pro Stunde, Richtung Westnordwest. Windgeschwindigkeit einsviernull stetig, Böen bis zu einssechsnull. Hörst du dir unsere Aufzeichnungen nicht an?"
„Alle zwanzig Minuten", sagte Guty. „Ich will wissen, warum ihr das verdammte Ding nicht stoppt."
„Anweisung aus der Zentrale", antwortete der Bärbeißige gelangweilt, als hätte er dieselbe Auskunft schon hundertmal gegeben. „Die Grundwasserspiegel im Yucatan und El Peten sind bedrohlich am Fallen. Sie brauchen eine kräftige Dusche. ,Laßt den Hurrikan durch’, sagt man uns von Terrania aus."
„Und was, zum Teufel, wird aus Exotaracht?" explodierte Guty.
Der Bärbeißige hob die Schultern.
„Dafür bin ich nicht zuständig. Ihr sitzt auf Cozumel, nicht wahr? Vielleicht geht der Sturm seitwärts an euch vorbei."
„Standort Montego Bay, Kurs Westnordwest", höhnte Guty. „Welch phantastische Aussichten!"
„Vielleicht schwenkt er in Richtung Cuba ab."
„Darauf kann ich mich nicht verlassen." Guty Cardenas zwang sich zur Ruhe. „Bei uns laufen mehrere Experimente zur Züchtung geophager Sauroplexe. Sie dürfen nicht unterbrochen werden. Wenn der Hurrikan uns erwischt, ist alle bisherige Mühe vergebens."
„Geophage Sauroplexe", grinste der Bärbeißige. „Das ist die Riesenschlange, die Dreck frißt und Backsteine seh..."
„Bleib mir mit deinen faden Witzen vom Leib", fuhr ihm Guty in die Parade. „An wen muß ich mich wenden, wenn ich den Sturm gestoppt haben will?"
„Du bist seit einer Stunde erst der vierzehnte, der diesen Wunsch äußert", sagte der Wetterkontrolleur. „Wenn du willst, wende dich an die Zentrale in Terrania, Abteilung Notmaßnahmen. Aber mach dir keine allzu große Hoffnung."
Guty unterbrach die Verbindung. Durch das große Fenster sah er ins Dunkel der Nacht hinaus. Regen platschte gegen die dicke Glassitscheibe. Aus der Ferne kam das knurrende Geheul eines Sauroplexes.
„Gib dir keine Mühe", sagte Sandia vom anderen Ende des Raumes her. „Exotare haben geringe Priorität. Der Grundwasserspiegel ist wichtiger."
Er schwenkte den Sessel herum. Sandia saß vor einem Videogerät und überflog die Daten, die während der Experimente zur Genmanipulation der Sauroplexe gesammelt worden waren.
„So spät in der Saison", brummte er. „Und ausgerechnet jetzt müssen sie entscheiden, daß das Yucatän einen Guß braucht."
„Wir hätten noch einen Monat warten sollen", sagte Sandia, ohne den Blick von der Sichtscheibe des Videogeräts zu wenden. „Die Sturmsaison geht bis Ende November, und im voraus weiß niemand, was der Wetterkontrolle einfällt. Im übrigen glaube ich nicht, daß der Hurrikan uns schaden wird. Die Sauroplexe sind an eine Menge Wasser gewöhnt, und die Windgeschwindigkeiten scheinen nicht..."
Sie unterbrach sich. Durch das klatschende Trommeln des tropischen Regens ertönte ein helles Summen, das rasch lauter wurde und dann abrupt erstarb. Sekunden später wurde die Tür geöffnet. Eine Frau trat ein. Auf den wenigen Metern von ihrem Fahrzeug bis zum Eingang des Laborgebäudes hatte sie der Wolkenbruch völlig durchnäßt. Die Kleider klebten ihr am Leib. Guty Cardenas hielt unwillkürlich den Atem an. Ein solch faszinierendes Geschöpf war ihm noch nie vor Augen gekommen.
*
Das dunkle, bis zu den Schultern reichende Haar war vom Regen geglättet. Sie wischte sich das Regenwasser von der Stirn. Guty sprang auf und ging ihr entgegen.
Sie bemerkte seinen faszinierten Blick und lächelte. Diese Augen! schoß es ihm durch den Sinn. Als ob ein dunkles Feuer in ihnen brenne.
„Der Regen ist ganz schön dicht", hörte er sich sagen. „Und es wird noch schlimmer werden, bevor es besser wird. Ein Sturm ist im Anzug.
Du brauchst eine Unterkunft, nicht wahr, bis das Wetter..."
Der starre, durchdringende Blick der dunklen Augen brachte ihn zum Schweigen.
„Ich sah euer
Weitere Kostenlose Bücher