1084 - Operation Kardec-Schild
Fahrzeug geriet von neuem in Bewegung und setzte ihn knapp eine halbe Stunde später am gewünschten Ort ab. Er bezahlte, indem er seine Ausweismarke von neuem dem ominösen Teller überantwortete. Er stieg aus, zögerte einen Augenblick und mischte sich in einen trotz der späten Stunde noch dichten Fußgängerstrom, der sich auf einem breiten Rollfeld in Richtung eines ausgedehnten Gebäudekomplexes von Läden, Büros und Privatwohnungen ergoß. Er betrat die Empfangshalle und sah sich um. Er wußte nicht, warum er das tat. Es war, als habe ein hypnotischer Impuls ihn dazu bewegt.
Fünf Schritte entfernt stand das Mädchen mit den dunklen Augen.
*
„Wie geht es ihr?" fragte sie.
Er erschrak vor der ungezügelten Gehässigkeit, die ihm aus ihrem Blick entgegenschlug, und zwang sich mühsam zur Ruhe. Ein zweites Mal würde er sich die Gelegenheit, mehr über dieses geheimnisvolle Wesen zu erfahren, nicht entgehen lassen.
„Willst du noch mehr Bilder haben?" erkundigte er sich freundlich.
„Ich pfeif auf deine Bilder", zischte das Mädchen. „Ich will wissen, wie's ihr geht. Hat sie sich gehörig erschreckt?"
„Ja, das hat sie", sagte Atlan. Dunkles Feuer schoß aus den Augen des Mädchens.
„Bist du es, der sie erschreckt hat?"
„Natürlich. Wer sonst?"
„Wer bist du? Und was willst du von Gesil?"
„Meine Freiheit", stieß das Mädchen trotzig hervor, den ersten Teil der Frage völlig außer acht lassend.
„Ich kann mir nicht vorstellen, daß Gesil deine Freiheit beeinträchtigt", hielt ihr der Arkonide entgegen.
„Du kannst dir überhaupt nichts vorstellen", sagte sie verächtlich. „Du weißt nicht, worum es hier geht."
„Das ist richtig", lächelte er. „Warum klärst du mich nicht auf?"
„Es geht dich nichts an."
„Aha. Und gerade weil es mich nichts angeht, lauerst du mir hier und dort auf, bestellst über mich Grüße an Gesil und fragst mich, wie es ihr geht."
Die schwarzen Augen blitzten ihn zornig an. Eine Wildheit lag in diesem Blick, die ihn überraschte und ihm einen kalten Schauer über den Rücken jagte.
„Von wo bist du fortgelaufen?" fragte er.
„Von nirgendwo. Ich komme und gehe, wie es mir beliebt."
Atlan legte ihr die Hand auf die Schulter - nicht hart, aber doch so, daß er seinen Griff jederzeit schließen konnte.
„Ich meine, die Ordnungsbehörde sollte sich dich ansehen. Irgendwo sitzen vermutlich zwei Eltern, die vor Sorge um dich nicht mehr ein noch aus wissen."
Sie ging auf seine Bemerkung nicht ein. Die Glut der dunklen Augen wurde intensiver.
Ein hypnotischer Zwang schien von ihr auszugehen.
„Laß mich los!" zischte sie Atlan an.
Konnte er jetzt noch umkehren?
„Nicht bevor wir uns beim nächsten Ordnungsbüro vorgestellt haben", sagte er hart.
„Schwein! Imperialist!"
Zwei spitze Schreie gellten durch die weite Halle. Atlan sah sich um. Einen Aufruhr konnte er sich nicht leisten. Menschen in der Nähe waren stehengeblieben und musterten ihn mißtrauisch. Er hatte unwillkürlich die Hand zurückgezogen. Aus den Augenwinkeln bemerkte er eine blitzschnelle, huschende Bewegung. Er wußte, ohne Hinzusehen, was geschehen war. Das Mädchen war verschwunden. Spurlos. Nicht in der Menge untergetaucht, sondern von der Stelle weg ... entmaterialisiert. Es gab kein anderes Wort dafür. Die Verwirrung mußte ihm am Gesicht abzulesen sein. Ein Mann in einem grüngrauen, sorgfältig geschneiderten Anzug trat auf ihn zu. Nur ein winziges Emblem am hochgeschlagenen Kragen des Jacketts verriet, daß er als Beamter der Ordnungsbehörde fungierte.
„Ich will mich dir nicht aufdrängen", begann er vorsichtig. „Brauchst du Hilfe?"
Atlan schüttelte den Kopf. „Nein, danke", sagte er.
„Warst du es, der geschrieen hat?" wollte der Ordnungshüter wissen.
„Ich? Nein."
„Wer sonst?"
Atlan sah sich hilflos um.
„Ein Madchen", antwortete er. „Eine Zwölfjährige. Ich habe keine Ahnung, was sie wollte."
„Wo ist sie?"
„Weg. Verschwunden."
„Was wolltest du von ihr?"
Das Verhör nahm einen Verlauf, der Atlan nicht behagte. Er faßte den Ordnungsbeamten scharf ins Auge und sagte mit harter Stimme: „Mann, deine Fragen stören mich. Du weißt, wer ich bin. Ich wollte nichts von ihr außer einer Antwort. Ich kenne sie nicht.
Wenn du mich eines Vergehens beschuldigen willst, dann heraus mit der Sprache!
Andernfalls ..."
Der Beamte senkte den Blick.
„Es tut mir leid, daß ich dich belästigt habe", sagte er matt, wandte sich um und
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