1088 - Der ewige Krieger
Weges?"
„Zum Dom Kesdschan."
„Sieh an! Was gibt es dort?"
„Ich weiß nicht. Mal sehen." So oder so ähnlich klang es, wenn Beezan einem der seltenen Spaziergänger in Naghdal begegnete. Es spielte dabei keine Rolle, ob es sich um einen Zeremonienmeister, einen Domwart, einen Betreuer oder einen der wenigen Bewohner der Stadt handelte, zu denen auch er zu zählen war: sie hatten einander nicht viel zu sagen. Manchmal war auch mit einem kurzen Gruß der Höflichkeit Genüge getan.
Beezan legte auf nähere Kontakte mit anderen Wesen keinen Wert. Nicht deswegen, weil er der einzige Ephide war und etwa keine Beziehung zu Angehörigen anderer Völker gehabt hätte. Daran lag es gewiß nicht. Der Grund war der, daß er sich verinnerlichen wollte, um durch Meditation das angestrebte Ziel zu erreichen und Erfüllung zu finden. Nur darum ging er den spärlichen Vergnügungen aus dem Weg, die die kaum beseelte Stadt zu bieten hatte, und mied jede Art von Geselligkeit, so gut es ging.
Er suchte höchstens Kontakt mit den Zeremonienmeistern und den Domwarten, aber auch nur um ernsthafte philosophische Gespräche über die Bedeutung des Domes Kesdschan zu führen. Er kannte sie alle, die 116 Domwarte und die 16 Zeremonienmeister, nach Namen und ihrer Herkunft, und sie kannten ihn. Ihnen verdankte er den Beinamen „der Zweifler", weil sie nicht verstehen konnten, wieso es ihm unmöglich war, das zu empfinden, was jedes Intelligenzwesen dieser Galaxis empfand, wenn es den Dom Kesdschan betrat. Und darum kam er jeden Tag hierher und verbrachte viel Zeit unter der mächtigen Kuppel des Domes zu. Es war sein eigenes Zeremoniell, das sich nun schon seit mehr als zweihundert Planetentagen wiederholte. Seit jenem denkwürdigen Augenblick, da ein Ritter der Tiefe den psionischen Ritterschlag erhalten hatte und all die vielen Tausende von Wesen verschiedenster Herkunft dieses einmaligen Erlebnisses teilhaftig geworden waren.
Nur er, Beezan, nicht. Er hatte damals nichts von den Schwingungen des Domes gespürt, die sich auf alle anderen Wesen übertrugen. Ihm hatte sich der Ritterschlag nur als optisches Ereignis dargeboten. Und er hatte die Verklärung auf den Gesichtern seiner Artgenossen gesehen, aber seine Fühler nicht mit ihnen im Gleichklang wiegen können.
Damals war ihm klar geworden, daß er ein Außenseiter war. Ein Fremdkörper in einer galaxisweiten Gemeinschaft - und ein Fremder in seinem eigenen Volk. Er war mit seinen Artgenossen nicht nach Thanon zurückgekehrt. Er war geblieben, um das Rätsel seiner Unempfindlichkeit zu lösen und dem Abhilfe zu schaffen.
Aber sooft er den Dom Kesdschan auch schon aufgesucht hatte, er empfand nichts. Er blieb kalt, wie man es in seinem Volk ausdrückte. Noch nie hatte sich während der Meditation seine Körpertemperatur auch nur um eine Zehnteleinheit erhöht.
„Hast du es gehört, Beezan? Im Dom Kesdschan soll sich Geheimnisvolles tun."
Beezan schreckte aus seinen Gedanken, als er die keifende Stimme des Oggfors vernahm. Die dünne knorrige Gestalt kauerte auf ihren hinteren Extremitäten und hatte die vorderen Gliedmaßen, die lang und knochig waren, unter dem hektisch zuckenden Luftsack gekrümmt. Die dreigliedrigen Greifwerkzeuge drückten immer wieder gegen diese Blase, um zu verhindern, daß sie sich mit Luft füllte. Ein sicheres Zeichen dafür, daß der Oggfor sich in einem Zustand gesteigerter Erregung befand. Diese Wesen konnten so viel Luft in ihre Körper aufnehmen und ihre Haut derart dehnen, bis sie kugelrund wurden.
„Du stehst mir im Weg, Goshar", sagte Beezan unwirsch. „Beruhige dich wieder, sonst platzt du noch."
Der Oggfor sog einen Luftschwall ein und entließ ihn dann mit lautem Knall aus seiner Kropfblase.
„Wenn du erst hörst, was ich dir zu berichten habe!" sagte Goshar, während er gleichzeitig die Luft pfeifend einsog. „Es heißt, daß eine Expedition aus dem Gewölbe unter dem Dom zurückerwartet wird."
„Das wäre nicht die erste Expedition", sagte Beezan ungehalten. „Gib jetzt den Weg frei."
„Ja, ja, schon", meinte der Oggfor mit geheimnisvoll gesenkter Stimme. „Aber es ist die erste, die Erfolg gehabt hat."
„Woher willst du das wissen?" fragte Beezan, nun doch neugierig geworden.
„Ich war im Dom und habe es gespürt, daß etwas Ungewöhnliches im Gange ist", behauptete Goshar. Er brachte seinen Echsenschädel bis ganz nahe an Beezans Fühlerkranz, so daß dieser unwillkürlich den Kopf zurückzog, und flüsterte:
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