109 - Die Atemdiebin
Außerdem fehlt der Abnehmer für die transferierte Energie.«
Matt lag ein herzhaftes »Hääääh?« auf der Zunge, doch er hütete sich, sein Unverständnis derart deutlich zum Ausdruck zu bringen. Die Barbaren an seiner Seite legten sich weniger Zurückhaltung auf. Alaan kniff die Augen zusammen, um das stachlige Achteck näher in Augenschein zu nehmen. Blaance kratzte sich ungeniert am Kopf, während Amelie beide Lippen zu einem schmalen, blutleeren Strich zusammen presste.
Nur Aruula nickte, als ob alles völlig klar wäre. »Ach, Nanobots«, sagte sie leichthin. »Die hab ich schon bei Miki Takeo gesehen, nur viel größer. Das sind Metallkäfer, die ständig übereinander wuseln und irgendwas zusammenbauen.«
Farmers Augen weiteten sich. »Interessante Analogie«, gestand er. »Kommt in etwa tatsächlich hin.«
»Ana was?« Eine steile Doppelfalte entstand über Aruulas Nasenwurzel.
Farmer errötete. »Ein guter Vergleich«, beeilte er sich das Fremdwort zu erklären. Lieutenant Shaw deutete auf sein Elektronenmikroskop, ersparte den anderen aber eine Aufnahme der Gewebeprobe, die er Golluks verschrumpeltem Körper entnommen hatte. »Die Zellen wurde auf molekularer Ebene völlig zerstört. Dafür sind mehrere Ursachen denkbar, sogar biologische, aber angesichts der entdeckten Nanobots liegt wohl nahe, dass dem Toten körpereigene Energie entzogen wurde.«
Matt versank in Grübeln. Gut, er wusste, dass der menschliche Körper messbare Ströme produzierte, insofern konnte er sich durchaus vorstellen, dass jemand diese Ströme absaugte und weiter verarbeitete. Fragte sich nur, wer so etwas tat. Ein Mutant? Eine Art Energievampir vielleicht? Nein, der würde sich keiner komplizierten Technik bedienen.
»Wozu das alles?«, fragte Matt laut. »Welchen Nutzen soll diese Erfindung haben?«
»Vielleicht keinen.« Shaw zuckte mit den Schultern.
»Vielleicht handelt es sich aber auch um eine Waffe.«
Also doch eine Teufelei der Daa'muren? »Wir müssen sofort die Kommandantin unterrichten«, schlug Matt vor. »Hinter diesem Atemdieb steckt weit mehr, als wir bislang dachten. Vielleicht eine Bedrohung, die nicht nur den Franzosen gefährlich werden könnte. Wenn sich die Nanobots selbst reproduzieren können, ist die gesamte Allianz in Gefahr.«
Shaw nickte. »Ich funke die Franzosen an«, sagte er. »Ich denke, die Sache ist wichtig genug, um den Captain aus der Besprechung zu holen.«
Matt war der gleichen Meinung. Zufrieden verfolgte er, wie Peter Shaw über einen vereinbarten Kanal Verbindung aufnahm. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis der Monitor ein Bild des Gesprächspartners zeigte. Colonel Dufaux schien geradezu auf einen Funkruf gelauert zu haben. Der Umgebung nach saß er in einem ausschließlich von Kunstlicht erhellten Raum, an einem Arbeitspult. Tief unten in der Erde, unter einem tonnenschweren Stahl- und Betonmantel verborgen.
»Bonjour, Lieutenant«, grüßte er freundlich. »Womit kann ich ihnen dienen?«
Shaw erwiderte die Begrüßungsfloskel, bevor er zur Sache kam. »Entschuldigen Sie die Störung, Colonel, aber ich möchte mit Captain McDuncan sprechen. Wären Sie so freundlich, mein Gespräch durchzustellen? Es ist dringend.« Dufaux'
Mundwinkel senkten sich keinen Millimeter, obwohl sein Lächeln erstarrte. »Ihre Kommandantin befindet sich in einer wichtigen Besprechung. Duldet Ihr Anliegen wirklich keinen Aufschub?«
»Ich fürchte nein«, antwortete Shaw mit der nötigen Portion Überzeugung in der Stimme. »Es haben sich gerade neue Erkenntnisse ergaben, die auch für Ihre Community wichtig sein könnten.«
Der Colonel gab sich nicht die Blöße, nach dem Inhalt der Mitteilung zu fragen. Er bat lediglich um einen Augenblick Geduld und schaltete auf eine interne Verbindung um. Sein Gesicht wurde durch ein Standbild ersetzt, das das Observatorium von St. Genis Laval vor den Farben der Trikolore zeigte. Die folgende Minute, die von einer Synthesizer-Version der französischen Nationalhymne untermalt wurde, dehnte sich zur Ewigkeit. Peter Shaw trommelte bereits nervös mit den Fingern auf der Konsole, als ein melodiöser Ton den Verbindungsaufbau ankündigte.
Dufaux' Miene wirkte deutlich angespannt, obwohl das Lächeln weiter wie festgenagelt in seinem Gesicht saß. »Hören Sie?«, fragte er. »Captain McDuncan hat die Besprechung bereits verlassen. Sie muss in wenigen Minuten bei Ihnen sein.«
»Oh!« Es war nicht zu überhören, dass Lieutenant Shaw seine Eile bedauerte.
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