109 - Die Atemdiebin
Ein wenig mehr Gelassenheit, und sie hätten die Angelegenheit erst einmal in Ruhe durchsprechen können, anstatt die Franzosen in Unruhe zu versetzten.
Und Colonel Dufaux' war beunruhigt, das war nicht mehr zu übersehen. Seine Schultern begannen zu zittern, als würde es in seinem Inneren brodeln. »Hören Sie bitte, Lieutenant«, bat er mit mühsam bezähmten Temperament. »Wenn ein Angriff der Daa'muren bevorsteht, möchte ich Sie bitten, mir Ihre neuen Erkenntnisse sofort mitzuteilen. Es kann nicht angehen, dass St. Genis Laval wegen geheimdienstlicher Vorschriften in Gefahr gerät.«
Immerhin – dass er die Gefahr durch die Daa'muren so ernst nahm, bewies, wie erfolgreich Selinas Verhandlungen gewesen waren.
»Derzeit besteht keine unmittelbare Gefahr«, versuchte Shaw die Lage zu entspannen. »Es ist aber durchaus möglich, dass die merkwürdigen Todesfälle in Liion mit den Daa'muren zusammen hängen.« Shaw unterbrach kurz und sah fragend zu Matt auf. Es war nicht schwer zu erraten, welche Frage ihn quälte. In dieser frühen Phase der Kooperation mochte es nachhaltig das gegenseitige Vertrauen erschüttern, wenn sie die Franzosen länger hinhielten. Matt nickte, um sein Einverständnis zu geben.
Der Lieutenant wandte sich daraufhin wieder dem runden Kameraobjektiv an der rechten oberen Monitorecke zu und erklärte Dufaux, was sie herausgefunden hatten.
Der helle Teint des Colonels erbleichte noch weiter. »Das sind wirklich beeindruckende Theorien«, lautete sein Kommentar, als Shaw geendet hatte. »Ich informiere unverzüglich meine Vorgesetzten, um nötige Abwehrmaßnahmen einzuleiten. Vielen Dank für Ihre Hilfe… und au revoir.«
Dufaux beendete die Verbindung, ohne auf eine Antwort der Briten zu warten. Das Bild erlosch, Stille breitete sich aus.
Lieutenant Peter Shaw starrte noch eine Weile auf den dunklen Monitor, um sicherzugehen, dass wirklich nichts mehr kam.
Dann räusperte er sich und sah zu Matt auf. »Auch auf die Gefahr hin, ein wenig empfindlich zu wirken«, sagte er zögernd, »aber irgendwie habe ich den Eindruck, dass das Gespräch gerade ein wenig überhastet abgebrochen wurde.«
»Dafür mag es einen guten Grund geben«, mischte sich eine weibliche Stimme aus dem Hintergrund ein. Sie gehörte Selina McDuncan, die unbemerkt ins Labor getreten war. Den letzten Teil des Funkgesprächs hatte sie noch mit angehört. Das wurde deutlich, als sie fortfuhr: »Ich bin früher zurück als gedacht, weil die Gespräche mit der politischen Führung von St. Genis Laval sehr zügig und positiv verlaufen. Wissenschaftsrat und Bunkerpräsident zeigen sich begeistert von der Serumsformel und den ISS-Funkgeräten. Im Gegenzug wird man uns Forschungsergebnisse zur Verfügung stellen. Ich denke, wir haben da einiges zu erwarten. Laut unseren Datenbanken war Lyon einst die zweitgrößte französische Stadt und die hiesige Universität besaß einen sehr guten Ruf.«
Matt spürte einen eisigen Hauch, der langsam sein Rückrat hinab glitt. »Worauf wollen Sie hinaus, Captain?«, fragte er, obwohl ihm die Wahrheit bereits dämmerte.
Selina erfüllte dann auch seine schlimmsten Erwartungen.
»Das Gros der Wissenschaftler, das seinerzeit in St. Genis Laval Zuflucht fand, dürfte zuvor an der Universität La Doua zu Lyon geforscht haben. Und deren Spezialgebiet zu Beginn des 21. Jahrhunderts war die Nanotechnologie.«
***
Wie vor den Kopf geschlagen starrte Colonel Dufaux auf den erloschenen Bildschirm. Er fühlte sich nicht mal zur kleinsten Bewegung fähig, selbst seine Atmung hatte ausgesetzt. Eisige Kälte durchzog ihn vom Scheitel bis zu den Zehen. Es grenzte an einen Gewaltakt, die Lähmung abzuschütteln, doch es gelang ihm schließlich.
Aufgeregt fuhr er mit den Fingern über das Sensorpad und baute eine Verbindung zu dem ranghöchsten Mitglied der Internen Sicherheit auf, General Henri Village. Erst stockend, dann immer flüssiger berichtete er dem Vorgesetzten von dem Funkspruch der Briten. Village ordnete eine sofortige Nachrichtensperre an und machte sich auf den Weg zu ihm.
Colonel Dufaux durchforstete die Datenbanken. Er hatte eine sehr genaue Vorstellung von dem, was er suchen musste, und so dauerte es nicht lange, bis er fündig wurde. Als Village zu ihm ins Büro trat, stellte Dufaux bereits das wichtigste Material zusammen.
»Wie sieht's aus?«, fragte der General. »Haben Sie etwas gefunden?«
»Oui, mon Général.« Dufaux drehte den Monitor, damit sein Vorgesetzter den
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