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109 - Die Atemdiebin

109 - Die Atemdiebin

Titel: 109 - Die Atemdiebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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beharrte der Wirt in scharfem Ton, denn es fiel ihm schwer, seine Gefühle im Zaum zu halten.
    Noot zierte sich noch ein wenig und jammerte laut, was für ein schlechtes Geschäft er machen würde, aber die Gier in seinen Augen strafte ihn längst Lügen. Er lechzte so sehr nach dem Rausch, dass er sogar seine schmutzige Hose hergegeben hätte und anschließend nackt über den Markt gelaufen wäre.
    »Gut«, willigte er ein, als er merkte, dass sich der Preis nicht höher treiben ließ. »Aber ich will eine Anzahlung.«
    Venura drückte ihm ein Geldstück in die Hand, damit sich der Säufer an einem der umliegenden Stände einen Krug vergorenen Bieeres kaufen konnte. Als Gegenleistung forderte er den Anhänger samt Kette ein und erhielt auch beides.
    »Komm später vorbei, um den zweiten Krug abzuholen«, schärfte er Noot ein, der schon im Begriff stand, davonzueilen.
    Ein hastiges Kopfnicken war die einzige Antwort, bevor der Fischer im Menschengewühl verschwand.
    »He, warum gehst du nicht aus dem Weg, wenn du nur schwatzen willst?«
    Venura ignorierte den Barbaren, der ihn da von hinten anblaffte. Es war nur einer der Kerle, die ihm selbst kurz zuvor den Weg versperrt hatten. Fassungslos starrte er auf das Metall in seiner Hand, das zwar federleicht war, aber trotzdem schwer wie ein Fels wog. Schwer wie die Schuld, die es beweisen mochte.
    Einen Korb voll mit frischem Fisch am Arm, trat Phiin neben ihn. »Oh, ein Geschenk für mich?«, neckte sie.
    »Nein.« Er sah die Schankmagd mit brennenden Augen an.
    Schmollend schob sie die Unterlippe vor. Eine Geste, die selten ihre Wirkung auf Männer verfehlte, gegen die er jedoch immun war. »Bin ich dir neuerdings nicht mehr gut genug?«
    »Glaub mir, das hier willst du nicht haben.« Traurig schüttelte er den Kopf. »Das ist der Schmuck einer Toten.«
    Phiins Lächeln zerbrach. Ein seltener Anblick, denn sie war ein von Natur aus fröhliches Gemüt. »Was meinst du damit?«, fragte sie leise.
    Venura sah vorsichtig von links nach rechts, um sicherzustellen, dass ihr Gespräch von niemanden belauscht wurde, dann erklärte er: »Ich kenne dieses Halsband. Elon hat es Raagnar geschenkt, bevor sie sein Weib wurde. Damals hat er noch jeden Fang selbst auf dem Markt verkauft. Wir verstanden uns gut, und so hat er mich gefragt, was ich von dem Schmuckstück halte. Ob es ihr wohl gefallen würde und so.« Von der Erinnerung übermannt, brach der Wirt ab, räusperte sich und fuhr mit belegter Stimme fort: »Raagnar hat es jedenfalls sehr gut gefallen. Sie trug den Anhänger stets unter dem Hemd, dicht an ihrem Herzen und hat ihn niemals abgelegt. Bis zu dem Tag…«
    »… an dem sie ertrunken ist«, ergänzte Phiin, als er erneut verstummte.
    Natürlich glaubte niemand in Liion, dass die kräftige Raagnar, die als gute Schwimmerin galt und alle Strömungen des Flusses kannte, eines natürlichen Todes gestorben war.
    Dagegen sprachen auch die Würgemale, die sich noch auf dem aufgedunsen Hals der Leiche abgezeichnet hatten.
    »Wenn sie den Anhänger wirklich jeden Tag getragen hat«, setzte Phiin erneut an, »dann muss der, der ihn dir verkauft hat, sie zuletzt gesehen haben.«
    »Das denke ich auch«, bestätigte Venura. All die Falten, die sich während des Gesprächs in sein Gesicht gegraben hatten, glätteten sich wieder auf einen Schlag. Ohne lange Vorrede nahm er der Schankmagd den schweren Korb ab und befahl: »Rasch, lauf zu Deloon und sag ihm, er soll den Ältestenrat einberufen. Noot muss befragt werden. Er soll erklären, wie er an das Halsband seiner toten Schwester kommt.«
    ***
    Schwer atmend trat Colonel Dufaux aus dem geborstenen Bunkereingang und winkte dem Fahrer des Radfahrzeugs zu, das rund fünfhundert Meter unterhalb des Hangs zwischen Nadelbäumen in Deckung stand. Die beiden Infanteristen, die ihn ins Labor begleitet hatten, knieten nieder, ihre Sturmgewehre leicht auf die Oberschenkel gestützt, aber weiter in Vorhaltestellung. Es tat gut, die Sonne, den Wald und die umliegenden Berge zu sehen, selbst durch das Plexiglas des Helmes.
    Dufaux liebte die Natur, deshalb war es sein größter Wunsch, einmal die raue Rinde eines Baumes mit bloßen Fingern zu berühren oder kaltes, frisches, unbehandeltes Wasser aus einer Gebirgsquelle durch die Kehle rinnen zu lassen. Das musste wundervoll, ja geradezu göttlich schmecken.
    Die Briten der Community London hatten davon geschwärmt. Und nun, da sie die Formel für das Immunserum an St. Genis Laval abtreten

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