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109 - Die Atemdiebin

109 - Die Atemdiebin

Titel: 109 - Die Atemdiebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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schlimmer als die Verachtung, die er ihr zuvor entgegen geschleudert hatte. Ohne ein weiteres Wort setzte er den Weg nach Liion fort.
    Amelie blieb allein zurück.
    ***
    »Geht doch aus dem Weg, wenn ihr nur schwatzen wollt!«, knurrte Venura voller Grimm. Der Wirt hasste es, unausgeschlafen über den Markt zu gehen, doch was blieb ihm anderes übrig? Der früheste Käufer am Stand erhielt das beste Fleisch, und sein Bistroo lebte nun mal von dem guten Ruf seiner Küche.
    Heute schien sich allerdings alles gegen ihn verschworen zu haben. Überall drängten die Menschen in großen und kleinen Gruppen zusammen, um über den Atemdieb und die fremde Schamanin zu schwatzen. Venura interessierten diese Gespräche herzlich wenig. Er wollte nur rasch alle Einkäufe erledigen und sich wieder zu Bett begeben. Vergangene Nacht war es sehr spät geworden, weil einige Stammgäste kein Ende gefunden hatten.
    Ein wenig gröber als nötig drängte er einige Männer und Frauen zur Seite, die ihm den Weg versperrten.
    Endlich erreichte er den Stand des Fallensteller, der stets die frischesten Gerule anbot. Venura hatte Glück. Weil alle nur an den Atemdieb dachten, fand die sonst so umlagerte Ware kaum Beachtung. Das würde heute den Preis drücken. Betont desinteressiert trat er an den primitiven Verkaufsstand. Auf einem einfachen, aus Brettern und Holzböcken bestehenden Tresen lagen die ausgeweideten Tiere aus. Neben Venura lungerte nur noch ein weiterer Kunde am Stand herum, ein hagerer Mann mit schütterem dunkelblonden Haar, der weite Hosen und ein langärmeliges Leinenhemd trug. Ein Fischer von der Halbinsel. Venura erkannte ihn sofort; er hatte ihm früher oft den Fang abgekauft. Es handelte sich um Noot, dessen Schwestergatte durch den Atemdieb gestraft worden war.
    »Ich kann nichts damit anfangen«, erklärte gerade der Fallensteller, der auch ausgezeichneten Honigwein verkaufte.
    »Warum versuchst du es nicht bei einem der Küstenhändler, die mit ihren Booten stromaufwärts gekommen sind? Die verkaufen auch Bieere.«
    Noot murmelte etwas Unflätiges, nahm jedoch das angebotene Tauschobjekt wieder zurück und verbarg es zwischen beiden Händen. Für den Bruchteil eines Wimpernschlages erkannte Venura, um was es sich dabei handelte. Genau genommen sah er nicht viel mehr als einen Sonnenreflex auf glänzendem Metall, trotzdem spürte er einen warnenden Trommelwirbel im Kopf. Auf einen Schlag war die Müdigkeit verflogen.
    »Was hast du denn da?«, fragte er, scheinbar harmlos.
    Ohne sich aus der verkrümmten Haltung aufzurichten, sah Noot zu dem Wirt auf. Misstrauen funkelte in seinen verkniffenen Augen. Die beiden Männer kannten sich besser, als beiden lieb war. Noot war nie ein Muster an Fleiß gewesen.
    Genau genommen gehörte er zu der Art von unliebsamen Kunden, die regelmäßig mehr trank, als sie vertragen und – vor allem – bezahlen konnte. Venura hatte ihn deshalb schon mehrmals des Bistroos verwiesen.
    »Geht dich doch nix an«, bellte der verlotterte Fischer und wollte sich abwenden, doch Venura hielt ihn am Ärmel zurück.
    »Renn doch nicht weg«, bat er mit honigsüßem Lächeln.
    »Wer weiß? Vielleicht ist mir das, was du da verkaufen willst, einen Krug Wein wert.«
    Wie nicht anders zu erwarten, hielt Noot bei der Erwähnung des Alkohols inne. Seine ablehnenden Züge glätteten sich und der Adamsapfel wanderte die Kehle erwartungsvoll auf und ab, als würde der angebotene Wein schon seine Kehle hinab fließen.
    »Das hier ist viel mehr wert als nur eine Krugfüllung«, behauptete er, bevor sich die verkrampften Finger vorsichtig voneinander lösten. »Für dieses Schmuckstück kriege ich mindestens ein Fass voll Wein!«
    Was er da auf dem Handteller präsentierte, war an sich nichts Besonderes. Nur ein platt geschlagenes Stück Metall mit einem Loch, durch das eine Kette hindurch führte. Ein aus Fundstücken zusammengebasteltes Halsband. So etwas schenkte ein junger Krieger seiner Angebeteten, weil er sich nichts Besseres leisten konnte.
    Venura spürte, wie ihm der Hals trocken wurde. Als er schluckte, fühlte es sich an, als würde raues Gestein übereinander reiben.
    »Zwei Krüge!«, bot er, ein Zittern in der Stimme unterdrückend. »Gleich nachher, wenn ich das Bistroo öffne.«
    Noot richtete sich erfreut auf. Voller Vorfreude glitt seine Zunge über die Lippen. »Vier Krüge!«, verlangte der Säufer, wohl in der Hoffnung, dass sie sich anschließend auf drei einigen würden.
    »Zwei!«,

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