109 - Kastell des Dämons
Sekunden
verstrichen. Der Butler zog sich lautlos und mit der Andeutung eines Nickens
zurück, als Morna sich bei ihm bedankte.
Die Tür wurde
geöffnet.
Das
Hausmädchen war jünger, als Morna sich vorgestellt hatte. Sie trug das braune
Haar zu einem Knoten hochgesteckt, das ihrem schmalen Gesicht etwas Strenges
verlieh.
Hier im Haus
der Freelys schien so etwas wie Zucht und Ordnung zu herrschen, die sich auf
Kleidung und Frisur bezog.
Das Kleid,
das Jenifer trug, war hochgeschlossen.
„Ja, bitte?“
Morna leierte
das Sprüchlein herunter, das sie einstudiert hatte.
„Von Lora
kommen Sie?“ fragte sie verwundert. „Und Sie haben eine Nachricht? Hoffentlich
nichts Unangenehmes! Das kommt so überraschend. Ich habe doch erst vor zwei
Tagen einen Brief von ihr bekommen und . . . aber bitte, treten Sie doch
näher!“
„Danke! Nein,
da brauchen. Sie keine Befürchtungen zu haben. Keine schlimme Nachricht. Etwas
Erfreuliches!“
Morna zog die
Tür hinter sich zu. Das Zimmer war geräumig und nett eingerichtet. Morna
stellte ihre Handtasche auf den Tisch und klappte sie auf.
Die Schwedin
nahm einen Packen Banknoten heraus und hielt das Bündel Jenifer vor die Nase.
„Die gehören alle Ihnen, Miß Harper“, sagte sie leise, und Jenifers Augen
wurden groß und kugelrund. Sie schüttelte sich, als ob sie träume.
„Und Sie
brauchen dafür nicht mal etwas zu tun.“
●
Jenifer
Harper war ein Mensch der Sorte, die schnell begriff.
Morna
Ulbrandson drückte sich klar und deutlich aus. Daß sie dabei einen Ausweis
vorlegte, der sie als Mitarbeiter der weiblichen Kriminalpolizei auswies,
verstand sich nebenbei.
„Sie wollen
hier spionieren?“ fragte Jenifer. Ihre Augen waren noch immer weit aufgerissen.
„Ich möchte
ein paar Tage inmitten der Familie leben und möchte sehen, wie der Tagesablauf
ist. Wenn Sie erklären würden, daß Sie ganz plötzlich abreisen müßten, weil
Ihre Schwester erkrankt sei, dann entspricht das zwar nicht ganz der Wahrheit,
und ich wünsche Ihrer Schwester noch viel Gesundheit, aber es gibt Momente im
Leben, wo der Zweck tatsächlich die Mittel heiligt. Ich könnte Sie vertreten.
Das klingt plausibel. Daß ich einspringe, könnte ein Zufall sein. Ich bin auf
der Suche nach einer Stellung. Ich verfüge über beste Referenzen.“
Jenifer kniff
sich ins Ohrläppchen und quiekte leise. „Es stimmt alles. Ich spüre den
Schmerz. Normalerweise hätte ich jetzt auf wachen und im Bett liegen müssen.
Aber Sie stehen vor mir, ich höre Ihre Stimme und sehe Sie. Und doch kann ich
es nicht fassen. Eins allerdings begreife ich nicht.“
„Was
verstehen Sie nicht, Jenifer?“ „Den ganzen Aufwand. Ich verstehe den Grund
nicht.“
„Wir wissen
es selbst noch nicht genau, ob unsere Theorie richtig ist. Es geht um das
Mädchen.“
Ein Schatten
huschte über das Gesicht des Hausmädchens. „Wegen dem Mädchen?“ fragte sie
stockend. „Welches Mädchen?“
„Ich weiß
nicht. Man hat sie hierher laufen sehen. Camilla!“
„Ca . . .?“
Der Rest des Wortes blieb ihr im Hals stecken. „Aber das geht doch gar nicht.
Hier.“ Jenifer lief um den Tisch herum und nahm vom Kaminsims ein Bild, das von
einem schwarzen Trauerrahmen umgeben war. „Das ist Camilla.“
Morna nahm
interessiert das Bild zur Hand. Es zeigte ein etwa dreizehnjähriges Mädchen,
das vor einem in voller Blüte stehenden Rosenbusch fotografiert war. Die
schwedische PSA-Agentin glaubte in diesem Busch jene Pflanze wiederzuerkennen,
die den schmiedeeisernen Treppenaufgang des Freely- Hauses umrankte.
„Überall im
Haus werden Sie dieses Bild finden, wenn Sie erst mal herumgehen“, wisperte
Jenifer, und ihre Augen blickten ängstlich. „Sogar wir müssen es in den Zimmern
stehen haben. Amos und ich.“ .
Amos war der
Butler.
„Camilla
wurde vergöttert. Dieses Mädchen kann man in der letzten Zeit unmöglich gesehen
haben, May. Camilla ist seit drei Jahren tot!“
●
Betretenes
Schweigen folgte dieser Unterhaltung. Morna war es, die dieses Schweigen
schließlich wieder brach.
Sie fragte
Jenifer nach den Besonderheiten im Haus. Abgesehen davon, daß die Freelys einen
äußerst konservativen Lebensstil pflegten, daß es weder Radio noch Fernsehen
gab und Mrs. Freely von ihren Dienstboten verlangte, hochgeschlossen
herumzulaufen, war das schon ein starkes Stück.
Morna
erkundigte sich vor allem nach dem Schicksal der einzigen Tochter.
„Vor drei
Jahren bekam sie ein Fieber. Drei Tage
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