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109 - Kastell des Dämons

109 - Kastell des Dämons

Titel: 109 - Kastell des Dämons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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grämte. Jenifer
Harper verfügte über schauspielerische Qualitäten, stellte Morna fest.
Erstaunlich schnell hatte sie sich mit ihrer neuen Rolle abgefunden.
    Dorothy
Freely trug ein knöchellanges Wollkleid mit einem unmöglichen Muster. Sie saß
an einem Damenschreibtisch aus der Zeit Ludwig XV. Einige engbeschriebene Bogen
lagen vor ihr, und es sah so aus, als ob sie einige Verse zu Papier gebracht
hätte. Die Hausherrin dichtete also. Diese Beobachtung bestätigte Morna nur
das, was Jenifer Harper ihr bereits alles erklärt hatte.
    Dorothy
Freely begutachtete die Referenzen, die Morna vorgelegt hatte.
    „Sie waren
auf dem Weg nach London?“ fragte die hagere Frau mit den kühlen Augen.
    „Ja. Ich
machte den Umweg, weil ich Zeit und der Schwester von Miß Jenifer versprochen
hatte, persönlich die Mitteilung an sie weiterzugeben.“
    „Sie haben
derzeit keine feste Anstellung?“
    „Doch, die in
London. Es kommt allerdings nicht darauf an, ob ich mich diese Woche dort
vorstelle oder erst in der nächsten. Ich kann Miß Jenifer vertreten.“
    „Sie sprechen
mehrere Sprachen, lese ich hier, und sind weitgereist. Es muß interessant sein,
mit Ihnen zu plaudern.“ Sie legte die Papiere, die Morna von einem Mittelsmann
der PSA ausgestellt und überreicht bekommen hatte, fein säuberlich in eine Ecke
ihres Schreibtisches und nickte dann steif. „Ich bin gern damit einverstanden,
daß Sie Jenifer ein paar Tage vertreten. Es ist gut, Jenifer, Sie können
gehen.“
    „Danke,
Madam!“
    „Stellen Sie
Ihr Gepäck zusammen! Ich werde Amos beauftragen, Sie nach Bodmin an den Bahnhof
zu fahren. Ich erlaube Ihnen, solange bei Ihrer Schwester zu bleiben, wie Miß
May Sie hier vertreten kann. Ich nehme an, Sie werden uns telefonisch
benachrichtigen, sobald Sie in Glasgow sind?“
    Dorothy
Freelys Stimme klang eintönig und kühl und paßte zu ihr. Diese Frau schien zu
keinem Gefühl menschlicher Wärme mehr fähig. Alles schien in ihr zerbrochen zu
sein, als ihre Tochter starb.
    „Jawohl,
Madam“, sagte Jenifer beinahe militärisch, deutete einen Knicks an und huschte
davon. Morna begriff nicht, wie man es bei einer solchen Arbeitgeberin lange
aushalten konnte.
    „Es ist Ihnen
klar, daß Sie umgehend Jenifers Aufgaben übernehmen müssen“. wandte Dorothy
Freely sich an Morna Ulbrandson alias May Oliver.
    „Ja, Madam.“
    „Wir sind auf
Ihre Hilfe angewiesen. Ich bin sehr krank.“ Sie wandte den Blick, und ihre
wächsernen Finger griffen nach dem großen Bild mit dem Trauerflor. Neben dem
Bild stand eine kleine Vase mit einer einzigen langstieligen Rose. „Sie liebte
Rosen sehr, meine kleine Camilla“, flüsterte die Frau, und mit einer beinahe
zärtlichen Bewegung strich sie über das Glas, hinter dem das gleiche Bild - nur
vergrößert - steckte, das Morna zum ersten Mal in Jenifer Harpers Zimmer sah
und das überall im Haus seinen festen Platz hatte. „Jenifer tut viel, sie ist
zuverlässig, arbeitet flott und sauber. Treten Sie die Stellung würdevoll an!
Und noch etwas, Miß May: Ihre Kleidung! Tragen Sie die Röcke immer so kurz?“
    „Ja, Madam.“
    „Während Sie
hier sind, möchte ich Sie doch bitten, das nicht zu tun.“
    „Ja, Madam.“
    „Ich nehme an,
Sie haben auch Kleider und Röcke, die länger sind.“
    „Nein, leider
nicht, Madam, aber ich kann an einigen den Saum herauslassen.“
    „Fein, dann
tun Sie das! Und tragen Sie bitte auch nur Blusen, die hochgeschlossen sind!“
    Dorothy
Freely erhob sich. Sie war schlank und rank wie eine Tanne, und man konnte sich
kaum vorstellen, daß sie die Mutter dieser ausgesprochen bildhübschen Tochter
war, deren Andenken hier so sehr verehrt wurde.
    „Ja, Madam.
Ich werde mich sofort darum kümmern.“
    „Nicht
sofort. Ich zeige Ihnen erst Ihren Aufgabenbereich, falls Jenifer etwas
vergessen haben sollte. Später dann möchte ich Sie gern meinem Mann vorstellen.
Er macht seinen Mittagsspaziergang. Sobald er zurück ist, werden Sie ihn
kennenlernen.“
     
    ●
     
    „Amos! Amos!“
rief Jenifer Harper, nachdem sie dreimal vergebens nach dem Butler geklingelt
hatte.
    Die Koffer
waren gepackt und standen fix und fertig vor der Tür. Amos brauchte sie nur
noch die Treppen hinabzutragen.
    Aber Amos kam
nicht! Um diese Zeit jedoch hielt er sich entweder in einem Zimmer oder im
Garten auf. Erst um die Teestunde ließ er sich wieder blicken. Alles im Haus
lief nach einem genau festgelegten Plan.
    Aber Amos
mußte greifbar sein. Das verlangte das

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