1090 - Für immer und ewig
Hände in die Taschen der Lederjacke. »Was denkst du, wo wir hier sind. In einem alten Schloß. In einem Castle. Auf einem Familienbesitz. Dort gibt es eine Geschichte und zumeist auch eine Gruft mit den Ahnen.«
»Die Ashford heißen?«
»Ja. Den Namen hast du gut behalten.«
»War ja nicht schwer«, sagte sie. »Willst du die Toten denn sehen?« Linda winkte ab. »Tut mir leid. Ich habe keinen Bedarf. Nein, nur das nicht.«
»Komm, stell dich nicht so an. Du brauchst dir ja nicht die alten Leichen anzuschauen, sondern nur die Gruft mit den Särgen. Sechs davon stehen darin. Sechsmal Ashford.«
»Du kennst dich aus.«
»Klar, mein Alter ist auch hier der Verwalter. Auf seinem Rücken lastet die gesamte Verantwortung.« Er hustete. »Ist ein toller Job, den er auch noch bezahlt bekommt.«
»Hat er dich mal in die Gruft genommen?«
»Schon einige Male.«
Linda Drew ging auf und ab. »Und dort ist es bestimmt schaurig, nicht wahr?«
»Davon kannst du ausgehen. Sehr schaurig sogar. Aber nicht so schlimm, denn es gibt dort noch ein Fenster, durch das Tageslicht auf die Särge fällt.«
Linda zögerte. »Na ja, eigentlich bin ich nicht unbedingt ein Fan irgendwelcher alter Gruften, aber es wäre vielleicht gar nicht schlecht, wenn ich mir das mal ansehe. Wir in unserer Band haben nämlich überlegt, ob wir einen Videoclip drehen sollen, bei dem auch Gruften und Friedhöfe eine Rolle spielen.« Sie nagte an der Unterlippe. »Michael Jackson hat so etwas auch schon gemacht. Natürlich wären wir nicht so gut und würden das auch mit weniger Leuten aufziehen, aber nachgedacht haben wir schon darüber. So eine Besichtigung wäre ganz gut.«
»Was hindert uns daran? Wir können sofort los. Fackeln und so was brauchst du nicht mitzunehmen. Ich will dir ja nicht reinreden, aber ich glaube schon, daß man in dieser Gruft einen Videostreifen drehen kann. Überhaupt machen sich Szenen hier vom Schloß und auch von der Umgebung gut.«
Linda schnalzte mit der Zunge. »All right, du hast mich überzeugt. Gehen wir.«
»Wunderbar.«
»Ich wüßte nicht, was bei einem Besuch In einer Gruft wunderbar sein soll.«
»Das wirst du alles sehen. Die Särge sind so stabil, daß man sogar darauf tanzen kann.«
Sie grinste nur. Lindas Erste Begeisterung war verflogen. Schon als sie das große Schlafzimmer verließen, überkam sie der Eindruck, in einer großen Gruft zu stehen. Die hohe Decke, die breiten Gänge, die kahlen. Wände, die Kühle und auch die leichte Feuchtigkeit, die wie ein unsichtbarer Nebel über allem hing.
Es war keine Welt für sie. Dabei gehörte dieser Teil des Anwesens zu dem noch nicht verfallenen.
In den anderen Trakten sah es schlimm aus.
Sie gingen durch den breiten Gang und lauschten den Echos ihrer Schritte, die von den kahlen Wänden zurückgeworfen wurden. Licht gab es nur in Form des Tageslichts, das durch die verschiedenen Fenster fiel.
Sie gelangten in die große Halle, die sich wie ein Feld nahe des großen Eingangsportals ausbreitete.
Hier standen zahlreiche Tische und Stühle. Es sah aus wie die ersten Vorbereitungen zu einem Fest.
Linda wunderte sich darüber. »Was ist das denn? Soll hier etwas gefeiert werden?«
»Stimmt. In einigen Tagen. Da sind bereits Einladungen verschickt worden. Frag mich aber nicht, was da genau läuft. Mein Vater hat sich mal wieder ausgeschwiegen.«
»Wenn da ein richtiges Fest laufen soll, muß noch einiges getan werden.«
»Das wird auch geschehen, Linda.«
»Und du hältst dich da raus?«
»Das ist nicht mein Problem.«
Er war schon vorgegangen und blieb im Schatten einer Tür stehen, nicht weit von der breiten Holztreppen, die schwungvoll der nächsthöheren Etage entgegenschwebte.
Linda fühlte sich jetzt besser. Sie dachte auch wieder an den Videoclip. Nicht nur in der erwähnten Gruft konnte man einige Szenen drehen, das gesamte Anwesen eignete sich dafür, und selbst die Umgebung.
»Kommst du?« frage Jay in das Knarren der Tür hinein, die er bei seinen Worten aufgestoßen hatte.
»Alles klar, nur keine Hektik.«
Sie ging langsam und schaute sich dabei um, wie eine Regisseur, der eine bestimmte Lokalität suchte. An die Gruft mit den Särgen hatte sie schon gar nicht mehr gedacht und wurde wieder daran erinnert, als sie auf der Türschwelle stand und in die Tiefe schaute. Ihr Blick fiel dabei über die Stufen hinweg. Das Ende der Treppe sah sie nicht. Es tauchte einfach ein in die graue Dunkelheit.
Der Geruch hier war anders. Kühler,
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