1092 - Der Vampirengel
auch um Dagmar, die leblos am Boden lag, und von der er nicht wußte, ob sie tot war oder nicht.
Der verdammte Vampirengel war nicht zu sehen. Äußerst geschickt nutzte er den Schutz der Dunkelheit aus und lauerte dort auf seine Chance.
Harry holte noch einmal Luft. »Ich knalle euch ab!« rief er mit heiserer Stimme. »Verdammt noch mal, ich knalle euch ab! Bleibt stehen! Los, bleibt stehen!«
Jeder hatte ihn gehört. Im ersten Moment sah es auch danach aus. Einige der unheimlichen Gestalten stoppten tatsächlich und wirkten dabei so ruhig wie lebende Grabmäler.
»Zurück!« schrie er wieder. »Zurück mit euch! Verschwindet aus meiner Nähe!«
Die Worte machten ihm keinen Mut. Er wußte selbst, wie schwach seine Position war. Wo immer er auch stand, er konnte nur nach vorn zielen, nicht nach hinten, und das war das große Problem. Er hatte am Rücken keine Augen.
»Du bist verloren…«
Wer die Worte gesprochen hatte, wußte Harry nicht. Er konnte sie für sich nicht positiv einstufen, aber er freute sich trotzdem auf eine gewisse Art und Weise. Die Stimme hatte sich nach der eines Menschen angehört, und so glaubte er daran, keine Zombies vor sich zu haben. Sie waren Menschen, normale Menschen, anders gekleidet und…
Der nächste Gedanke ging in einem heftigen, kurzen und zuckenden Schmerz unter. Ein Blitzstrahl jagte durch seinen Kopf. Harry riß den Mund auf, um Luft zu holen, er stellte sich auf die Zehenspitzen, mehr war nicht drin, denn er hatte das Gefühl, für einen wichtigen Augenblick paralysiert zu werden. Daß dabei seine Hand mit der Waffe nach unten sank, bekam er nicht mehr mit, denn plötzlich veränderte sich der Boden zu einem Wellenmeer, auf dem er keinen Halt fand.
Sein Körper schaukelte von einer Seite zur anderen. Er fiel und sah ihm Fallen die schattenhaften Bewegungen dicht vor sich erscheinen. Sie kamen aus dem Dunkel. Sie waren so schnell. Sie überfielen ihn, sie schienen ihn gestoßen zu haben, und er kam erst wieder zu sich, als er den Aufprall auf dem Boden spürte.
Sein Kopf schien dabei zerspringen zu wollen. Etwas raste von links nach rechts und auch quer durch. Am hinteren Teil konzentrierten sich die Schmerzen, die nicht so stark waren, daß er das Bewußtsein verlor.
Er wußte schon, wo er lag, wo er war und was mit ihm los war. Das Durcheinander hielt sich in Grenzen, aber er schaffte es nicht mehr, sich zu bewegen.
Und dann waren sie da. Einer bückte sich.
Die Waffe wurde Harry entrissen und weggeworfen. Von allen Seiten umstanden sie ihn in einem dichten Ring aus dunklen Körpern und glotzten auf ihn nieder.
Harry Stahl hatte die Augen verdreht und schaute in die Höhe. Ihre Gesichter konnte er nicht richtig sehen. Sie glichen blassen Flecken, die ineinanderglitten, aber sein Blick klärte sich nach einer Weile so weit, daß er auch unterscheiden konnte.
Es befanden sich nicht nur Männer in dieser Runde. Auch wenn es nur aus der Nähe zu sehen war, die schmaleren Gesichter gehörten jungen Frauen oder Mädchen. Sie fielen nur deshalb nicht sofort auf, weil sie ebenfalls so bleich geschminkt waren.
Lange Mäntel umgaben die Körper. Ebenso schwarz wie die übrige Kleidung. Im harten Kontrast dazu stand der Schmuck aus Silber oder aus Legierungen, der sich an ihren Körpern verteilte. Er sah ihn an den Fingern, er sah ihn im Gesicht, wo die meisten gepierct waren, und er sah ihn als Anhänger an Ketten. Kreuze, die auf dem Kopf standen. Amulette aus Metall oder aus speziellen Hölzern.
Lange oder kurze Haare. Ein junger Mann hatte sich in seine Strähnen kleine Knochen hineingeflochten. Ein Mädchen trug über seiner dichten dunklen Haarpracht einfein schimmerndes Netz.
Dunkle Augen schauten auf ihn nieder. Dunkel geschminkte Lippen und dazwischen die blasse Haut der Gesichter.
Harry kam mit seinen Schmerzen einigermaßen zurecht. Er war sogar in der Lage, eine Frage zu stellen, aber er sprach sie so leise aus, daß sie nur schwach zu hören war.
»Wer seid ihr, verdammt…?«
Er sah nicht, wer antwortete, aber er hörte die Stimme deutlich genug. »Wir sind die People of Sin.«
Harry war verwirrt. Erst nach einer Weile konnte er die Worte übersetzt wiederholen. »Menschen der Sünde?«
»Ja.«
»Wieso Sünde?«
»Wir lieben es, die Tabus zu brechen, und wir werden jeden Sündigen beschützen.«
»Menschen sind Sünder. Danach hat es mir nicht ausgesehen!« gab er zurück.
»Wir meinen es anders.«
»Wie denn?«
»Du wirst unseren Schützling
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