1092 - Der Vampirengel
nicht mehr unter dem Schutz des Pegasus, ich bin jetzt wieder ich selbst. Aber ich bin auch kein richtiger Vampir, wie der Herrscher es gern gehabt hätte. Ich bin ein Mensch und ein Vampir, ein Halb-Vampir. Ich fühle mich zu keiner Seite hingezogen. Ich kann mich selbst schneiden, ohne mich zu verletzen. Dagmar hat es gesehen. Ich kann mein eigenes Blut trinken wie andere das Wasser. Ich bin verseucht, aber ich brauche das Blut anderer Menschen trotzdem nicht. Ich weiß auch nicht, ob ich die Vampire hassen soll. Ich habe noch einmal alles eingesetzt, aber jetzt ist es vorbei.«
Das glaubten sie ihr. Sie sah erschöpft aus. Sie sahen die beiden spitzen Zähne, doch sie machten ihnen keine Angst mehr. Selbst Harry hatte die Waffe weggesteckt. Angelas Hände ließ er allerdings gefesselt.
»Hast du deine besondere Kraft für ihn eingesetzt?« fragte Dagmar. »Für Mallmann?«
»Wer ist das?«
»Dracula II.«
»Das habe ich. Er sprach mit mir. Er sah plötzlich eine Chance, die er sich nicht entgehen lassen wollte. Er hatte von mir gehört, daß es uns gibt, und plötzlich eröffneten sich ihm ganz andere Möglichkeiten. Er faßte einen großen Plan. Ich sollte dafür sorgen, daß alle Psychonauten zu Vampiren werden. Bei mir ist der Keim gelegt worden, und ich sollte ihn zu den anderen weitertragen.«
»Und dabei mit mir anfangen, wie?« fragte Dagmar.
»Das wollte er.«
Dagmar nickte. »Ja, ich begreife allmählich. Es wäre alles so wunderbar gewesen. Wir hätten ihn, wenn möglich, in die Geheimnisse der Welt eingeführt. Ob es uns gelungen wäre, steht in den Sternen, aber schon der Versucht zeugte davon, wie weit die Pläne dieses Blutsaugers letztendlich gehen. Psychonauten sollen sich verändern und zu Blutsaugern werden. Wahnsinn ist das.«
»Reg dich nicht auf!« sagte Harry. »Bleib, um Himmels willen, nur ruhig, Dagmar.«
»Ich bin aber eine Psychonautin!«
»Das wissen wir. Ich kann es auch nachfühlen, aber jetzt müssen wir systematisch vorgehen. Mallmann hat etwas vor. Nicht hier, sondern in London. Da will er seine Zeichen setzen. Ich habe von einem Vampirkult erfahren oder einem Blutkult, der Angela gilt. Das hast du mir gesagt. Leider ist es zu wenig. Wir wissen nicht, wo es abläuft, aber die Stadt ist gut.«
»Wegen John und Suko.«
»Die beiden werden sich wundern.«
»Das denke ich auch. Aber wir reisen nach London, das steht fest.« Harry kümmerte sich wieder um Angela. Sie war gegen die Tür gesunken und starrte ins Leere. Nur mühsam verstand sie die Sätze, die Harry ihr zuflüsterte. »Wann ist das geschehen? Wie lange gibt es dich schon als Vampirengel?«
»Ich bin keiner mehr.«
»Gut, dann frage ich anders. Wie lange gibt es dich schon in diesem Zustand?«
»Einige Wochen.«
»Und das Grab auf dem Friedhof hast du dir ausgesucht?«
»Ja. Ich wollte euch hinlocken. Eigentlich nur sie, aber dann bist du mitgekommen.«
»Wir gehören nun mal zusammen. Es ist dein Pech, daß du dich nicht schon früher über uns informiert hast. Aber das wollen wir beiseite lassen. Du bist nicht allein gewesen. Ich habe erst gedacht, von lebenden Leichen angegriffen zu werden. Aber es waren Menschen, die sich People of Sin nannten. Wer sind sie? Woher kennst du sie? Wie bist du an sie herangekommen?«
»Nicht ich bin es!« flüsterte Angela. »Sie haben mich entdeckt. Sie lieben die Friedhöfe. Sie lieben die Sünde. Sie sind Musiker und treffen sich auf alten Friedhöfen, um sich dort ihre Texte und Melodien einfallen zu lassen.«
»Gut, wissen sie von Dracula II?«
»Nein, nur von mir. Ich bin ihre Königin gewesen. Wir haben uns oft auf dem Friedhof getroffen, und sie werden auch in London dabei sein und ihre Songs spielen.«
Harry wollte es genau wissen. »Aber sie sind keine Vampire. Du hast nicht ihr Blut getrunken?«
»Nein. Sie lieben mich auch so. Sie haben mich akzeptiert. Ich war ein lebender Grabstein und für sie so etwas wie das Symbol einer anderen Auferstehung oder eines anderen Lebens. Sie haben einen Song für mich geschrieben, den sie auf dem Fest singen werden. Sie sind dabei, den Kult zu pflegen, und sie werden das Alte, das Blutige aus einer schrecklichen Welt wieder aufleben lassen.«
»Was ist mit Mallmann?« fragte Harry. »Wird er auch dabeisein?«
»Ich weiß es nicht. Wichtig bin ich auf dem Fest.« Sie schwieg und setzte sich wieder normal hin.
»Aber das ist auch vorbei, denn ich habe einen großen Teil meiner Stärke verloren. Ich bin wieder
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