1092 - Der Vampirengel
nicht mehr möglich, das große Symbol mit auf die Reise zu nehmen. Du weißt genau, wovon ich spreche. Von Pegasus, dem fliegenden Pferd, dem geflügelten Roß. Einem Tier, auf dessen Rücken Flügel wachsen, das Symbol der kreativen Menschen, der Schriftsteller. Es ist nicht einfach, dorthin zu kommen, aber du scheinst es geschafft zu haben. Du bist kein Engel mit Flügeln. Du nennst dich nur so, weil es einfach ist. In Wirklichkeit hat dir die Kraft des dritten Auges die Flügel verliehen, denn du bist in den Dunstkreis der Pegasus-Magie hineingeraten, und so haben sich dir auch die anderen Welten öffnen können, weil du das dritte Auge besitzt. Ich hatte Zeit genug, mir vieles durch den Kopf gehen zu lassen, und ich denke, daß ich damit richtig liege.«
Angela antwortete nicht. Ihr Blick allerdings sagte mehr als tausend Worte. Aber es meldete sich auch Dagmar. Harry hörte ein klatschendes Geräusch, als sie sich gegen die Stirn schlug. »Himmel, daran habe ich nicht gedacht. Ja, es stimmt. Sie hat es weit gebracht. Sie hat durch ihr drittes Auge in Welten schauen können, die uns verborgen geblieben sind. Was hast du gesehen?«
Angela schwieg.
»Wie weit bist du gekommen? Du hast die Macht des Pegasus auf deiner Seite. Die beiden Flügel. Sie sind das Symbol. Sie tragen nicht nur die Gedanken weg, sondern auch dich selbst…«
Angela nickte. »Ja, ich wollte die Macht«, gab sie zu. »Ich habe sie auch erhalten. Aber es war nicht gut, nein, es war nicht gut.« Sie schüttelte den Kopf und schnappte dabei nach Luft. »Ich wollte viel, ich wollte alles. Ich… ich… wollte erkennen, wie die Welt aufgebaut ist. Ich weiß ebensogut wie du, Dagmar, woher wir stammen, und ich hatte nur das eine Ziel, die Geheimnisse der Welt endlich kennenzulernen.«
»Sehr gut. Und weiter?«
»Ich konnte es schaffen.«
Dagmar und Harry lauerten auf die nächste Antwort, doch sie kam nicht.
Angela legte den Kopf zurück, starrte gegen den Wagenhimmel und jammerte leise vor sich hin. Ein wimmernder Vampir, einer der völlig fertig war, der sich nicht wehrte, der keinen Durst auf das Blut der Menschen hatte, so etwas hatten die beiden noch nie erlebt. Das widersprach allen Regeln, die in dieser ungewöhnlichen Welt herrschten. Sie schauten sich an und wußten beide nicht, wie sie weiterkommen sollten.
Dagmar hielt es nicht mehr länger aus. »Was hast du erlebt?« fragte sie.
»Ich… ich… habe mich geirrt.«
»Wieso?«
»Ich wollte es schaffen und die Rätsel lösen. Ich fühlte mich so ungemein stark. Die Kraft des Pegasus steckte in mir, und mir eröffneten sich andere Dimensionen. Aber es waren nicht die, die ich so erwartet habe.«
»Welche dann?«
»Fremde, dunkle, andere Welten oder eine andere Welt, in die es mich hineintrieb. Es war ein Unglück, denn so bin ich in die Gewalt hineingeraten.«
»Nur in die der anderen Welt?« fragte Harry.
»Nein, nicht nur. Ich bin auch in die Gewalt des Herrschers geraten, der dort das Sagen hat und alles unterdrückt. Er gibt die entsprechenden Befehle. Er ist derjenige, der das Grauen beherrscht, und ich bin ihm in die Falle gelaufen.«
Dagmar und Harry schauten sich an. Sie nickten sich zu, weil sie den gleichen Gedanken verfolgten, aber nur Harry sprach ihn leise aus.
»Die Vampirwelt…«
Nicht nur Dagmar hatte das Wort gehört, auch Angela war es nicht entgangen, und sie zuckte zusammen. »Ja!« keuchte sie. »Ja, ja, ja! Die Vampirwelt. Die Welt der Dunkelheit, in der er herrscht. Das ist es. Dorthin bin ich gelangt. Man hat mich hineingeschoben, gedrückt, und ich kam nicht mehr weg!«
»Was hat man dir angetan?« Jetzt klang Mitleid in Dagmars Stimme mit.
»Er hat sich auf mich gestürzt.«
»Dracula II!«
Matt nickte Angela Harry Stahl zu. »Ja, er beherrscht seine Welt. Die Welt der Schatten, der Vampire. Das Gebiet der Dunkelheit, in dem es kein normales Leben mehr gibt und über der nur der alte Blutgeruch schwebt.«
»Dann hat er dein Blut getrunken«, sagte Harry leise.
Angela öffnete die Augen. Ihr Kopf sank wieder nach vorn. Sie zuckte und schwitzte. Die Hände hatte sie zu Fäusten geballt, und sie deutete ein Nicken an. »Ich war sein Opfer«, erklärte sie leise.
»Aber er hat sich gewundert. Ich sah nicht aus wie ein Mensch, und er zwang mich, ihm alles zu sagen.«
»Dann weiß er über die Psychonauten Bescheid?« hakte Dagmar noch einmal nach.
»So ist es, denn ich konnte mich nicht mehr wehren. Es ist alles so anders gewesen. Ich stehe
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