1099 - Das Kollektiv der Porleyter
Gesittung brach auf, und zum Vorschein kam die nackte, verstörte Kreatur.
Qumran-Fayed-Pogh hatte versucht, die Form zu wahren - das mußte man ihm zugestehen.
„Lästert nicht", rief er, „sondern laßt ihn ausreden. Welche andere Lösung schlägst du vor, Koro?"
„Keine Lösung, nur eine Vorgehensweise", hatte er geantwortet.
„Zunächst müssen wir mit den Terranern beraten. Unter ihnen sind zwei, die zum Orden der Ritter der Tiefe gehören. Sie verdienen unseren Respekt, denn sie beziehen ihren Auftrag von den Kosmokraten."
„Hört, hört!" wurden ein paar spöttische Stimmen laut.
„Und dann?" erkundigte sich Fayed.
„Wir müssen erfahren, wie wir zur Erfüllung des Auftrags, den die Terraner erhalten haben, beitragen können. Wir sind nicht mehr die unmittelbar Beauftragten, aber wie auch immer wir uns vergangen haben - die Kosmokraten werden es uns als Verdienst anrechnen, daß wir uns aus der Verwirrung gelöst haben und an der Bewältigung der ursprünglichen Aufgabe teilhaben."
„Wer entscheidet, wie der Auftrag auszuführen ist?" fragte Fayed.
„Die Ritter der Tiefe", antwortete er. „Sie sind von den Kosmokraten instruiert."
Das empörte Gemurmel, das binnen weniger Sekunden zu wütendem Geheul anschwoll, belehrte ihn, daß er einen schweren Fehler begangen hatte.
„Wir sollen auf die Terraner hören?"
„Er will uns den Unzivilisierten ausliefern!"
„Koro hat den Verstand verloren! Die Porleyter sind eine der ältesten Zivilisationen in diesem Abschnitt des Universums. Wir lassen uns nicht von anderen kommandieren!"
Fayed brauchte kein weiteres Wort zu sagen, alle waren auf seiner Seite. So schien es wenigstens. Die paar hundert, die Koros Ansicht vertraten, schwiegen betreten. Er hatte recht, aber er hätte seine Meinung auf andere Weise vorbringen müssen. Er war ein Narr. Die gegenwärtige Krise resultierte aus dem Stolz und der Selbstherrlichkeit seines Volkes. Gerade diese Regungen aber hatte er angesprochen, als er die Rede darauf brachte, daß man den Rittern der Tiefe die Entscheidung überlassen müsse.
Er sagte nichts mehr. Es kam ihm jetzt erst deutlich zum Bewußtsein, daß in einem der spöttischen Zurufe sein Verhalten gegenüber Clynvanth-Oso-Megh angesprochen worden war. Das schmerzte. Wie oft hatte er sich selbst deswegen schon verflucht! Er zog sich in einen Winkel der Aura zurück und nahm die Haltung des „reservierten Selbst" ein. Diese wenigstens würden sie achten müssen. Einen Porleyter, der sich im Zustand absoluter Reglosigkeit befand, durfte niemand mehr ansprechen.
Sie bedurften, seit sie sich in der Kollektiv-Aura eingeschlossen hatten, keiner Nahrung mehr. Der Körper funktionierte nach wie vor, aber die Vorgänge des Stoffwechsels waren auf ein absolutes Minimum reduziert. Der Körper bezog die für sein mechanisches und psychisches Funktionieren erforderliche Energie aus der rosaroten Hülle der Aura. Es war eine kluge Konstruktion, die sie damals geschaffen hatten. Nur die Idee, die sich hinter ihr verbarg, war falsch gewesen.
Viele Stunden später, nachdem sich die Empörung gelegt hatte, unterhielt er sich mit Wikora-Nono-Ors. Er hatte dem Unglücklichen damals zur Seite gestanden, als der Unwille der Porleyter sich über ihm zu entladen drohte. Er hatte ihn verteidigt und darauf hingewiesen, daß mehr als zwei Millionen Jahre der absoluten Abgeschlossenheit im Innern eines leblosen Gegenstands niemand darauf vorbereiteten, einer gefährlichen Situation mit der erforderlichen Gelassenheit zu begegnen. Vielleicht hätte er seine Sympathie für Nono nicht so deutlich machen sollen.
Sie hatte ihm keine Freunde eingebracht außer dem einen: Nono selbst.
„Ich habe es falsch angefangen", klagte er. „Ich bin kein Diplomat. Du mußt mir helfen."
„Ich tue, was ich kann", kam es aus dem Schallsack an Nonos Schädelbasis. „Nur bin ich nicht sicher, ob sich noch etwas erreichen läßt."
„Du meinst, Fayed hat schon zu viele überzeugt?"
„Es sieht so aus."
Koro dachte eine Zeitlang darüber nach. Dann machte er mit den scherenförmigen Greifwerkzeugen seiner rechten Hand eine Geste des Zweifels.
„Ich bin nicht sicher", sagte er. „Der Unterschied liegt in der Vorgehensweise. Fayed ist Techniker. Seine Argumentation folgt der einfachen Logik - den Beweggründen, die auf der Hand liegen. Unser Volk ist müde. Die Porleyter haben keine Kraft mehr zum Nachdenken. Wenn einer sie aufrütteln könnte, dann..."
Seine acht Augen ruhten
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