1099 - Das Kollektiv der Porleyter
hart.
„Wie willst du ihnen helfen?" fragte er.
„Indem ich ihren Geist freisetze, damit sie die Entscheidung verwirklichen können, die sie schon längst getroffen haben."
„Indem du sie dazu treibst, ihrem Leben ein Ende zu bereiten?"
Sühe Baator breitete die Arme aus.
„Was ist schon ein Leben? Wir alle müssen untergehen, um wiedergeboren zu werden. Und mit jedem Tod, jeder Wiedergeburt kommen wir dem Ziel einen Schritt näher."
Der Mutant sah den Arkoniden an.
„Ich überlasse es dir, ob du deine Vorgehensweise den Prinzipien einer orientalischen Religionsphilosophie angleichen willst oder nicht", sagte er auf terranisch, so daß auch Sühe Baator ihn verstehen konnte. „Aber wenn dir daran liegt, wenigstens ein paar Porleyter lebend aus diesem strahlenden Gefängnis zu retten, dann betrachte diesen Mann als gefährlich."
Die Augen des Mongolen glommen in zornigem Feuer, aber er senkte den Blick, als Atlan ihn ansah.
„Für die ganze Menschheit ist es wichtig, daß die Porleyter am Leben bleiben." Es lag ein harter, stählerner Klang in der Stimme des Arkoniden, dessen Wirkung sich Sühe Baator nicht entziehen konnte. „Wenn sie den Tod und die Reinkarnation durchmachen müssen, um dem Zustand der Vollendung näher zu kommen, dann mögen sie es später tun. Uns geht es darum, ihr Leben zu erhalten. Sie waren irregeleitet und leiden unter der Erkenntnis, daß sie ihre Rolle überschätzt haben. Aber sie sind nach wie vor von Bedeutung. Sie müssen leben!"
Sühe Baator hob die Hände wie zu einer beschwörenden Geste.
„Du widersprichst den heiligen Gegebenheiten!" protestierte er.
„Ich bin nicht deines Glaubens", antwortete der Arkonide kalt. „Du näherst dich der strahlenden Kuppel nicht auf weniger als einhundert Meter, oder ich lasse dich festnehmen."
*
„Es ist nicht nur Verzweiflung", sagte Fellmer Lloyd. „Ich spürte eine zweite, schwächere Grundtendenz, die mich verwirrt."
Er sah den Ilt an. Gucky nickte zustimmend.
„Irgend jemand dort drinnen ist zornig", fuhr Fellmer Lloyd fort. „Nun darf man menschliche und porleytische Mentalität nicht miteinander vergleichen, aber wie soll ich mir erklären, daß die Porleyter auf der einen Seite verzweifelt und zum Selbstmord bereit, auf der anderen aber zornig sind?"
Marek Hussan und Naron Duur hatten ihre Arbeitsgruppen verlassen und waren herbeigekommen. Die Straßenbeleuchtung verbreitete gleißende Helligkeit. Trotzdem waren zusätzliche Lampen aufgestellt worden - an den Standorten der Gleiter und dort, wo die Wissenschaftler an ihren Tests arbeiteten.
„Wir sollten dieser Beobachtung vielleicht keine allzu große Bedeutung beimessen", meinte Naron. „Du sagst selbst, die porleytische Mentalität ist von der unseren verschieden. Für sie mag es ganz normal sein, zur gleichen Zeit Zorn und Verzweiflung zu empfinden. Es besteht aber auch die Möglichkeit, daß es im Innern der strahlenden Kuppel zwei verschiedene Parteien gibt. Die Verzweiflung ist die Grundstimmung der einen, der Zorn die der anderen. Wenn diese Hypothese richtig ist, so ist die zornige Partei der verzweifelten offenbar entweder an Zahl oder an geistiger Kraft unterlegen. Selbst wenn wir wüßten, welche der beiden Möglichkeiten zutrifft, wären wir keinen Schritt weiter. Mich interessiert eine ganz andere Frage. Bevor die Porleyter den Mond verließen und zur Erde kamen, hatten zwei Hanse-Techniker, ein Mann und eine Frau, in der Gegend des Gibbs-Kraters ein abenteuerliches Erlebnis. Sie kamen der Kardec-Aura, die sich damals noch recht ziellos durch die Gegend bewegte, bis auf wenige Meter nahe.
Rijders, der Mann, zeigte überhaupt keine Wirkung. Lund, die Frau, mag sogar physischen Kontakt mit der Aura gehabt haben, aber außer einer kurzen Bewußtlosigkeit trug sie keinen Schaden davon."
„Worauf willst du hinaus, Naron?" erkundigte sich Marek Hussan.
Die Xenopsychologin verzog den breiten Mund zu einem spöttischen Grinsen.
„Versuch, dich der Aura so weit zu nähern, wie Rijders und Lund gekommen sind.
Dann sag mir..."
„Es geht nicht", fiel ihr Gucky ins Wort.
„Warum nicht? Eben das ist meine Frage."
„Es ist eine gerechtfertigte Frage", unterstützte Atlan die Psychologin.
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. Dann meinte Fellmer Lloyd: „Es bleibt uns nichts anderes übrig, als anzunehmen, daß die Aura ihre Konsistenz seit dem Aufbruch von Luna verändert hat. Sie ist jetzt gefährlicher, als sie es damals
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