1099 - Der Werwolf und die Tänzerin
Tür und hatte sie aufgeschlossen. Sie ließ uns als erste eintreten. Die Bestie mußte etwas schräg gehen, da die Tür nicht breit genug für sie war.
Der frische Tannenduft wechselte sich mit der muffigen Luft ab, die hier zwischen den Wänden stand. Es war wenig gelüftet worden, und es roch auch nach Raubtier.
Für einen Moment blieb Madeleine neben mir stehen und schaute mir ins Gesicht. Sie sah aus, als wollte sie mich ansprechen, aber sie hielt sich zurück.
Dann ging sie mit schnellen Schritten weiter, machte Licht und schloß eine Seitentür auf. Einen Flur oder eine Diele gab es nicht. Von der Haustür aus führte der Weg direkt ins Wohnzimmer, auf dessen Boden ein bunter Teppich lag. Darauf standen die alten Möbel aus Fichtenholz.
Hinter der Tür war es finster. Ich sah neben ihr noch eine zweite, aber die blieb geschlossen.
Der Werwolf quetschte sich mit mir in die Kammer hinein und warf mich zu Boden. Der Aufprall hielt sich in Grenzen, weil ich auf eine recht weiche Unterlage fiel, die mich sogar etwas abfederte.
Es waren wohl alte Schaumstoffreste oder Säcke, die Madeleine da zusammengelegt hatte.
Rücklings blieb ich liegen. Es war hier düster. Das Licht aus dem größeren Raum gab nur einen matten Schein ab. Ihn durchquerte der Werwolf wie ein geduckter Schatten, als er die Kammer verließ.
Dafür trat die Tänzerin ein.
Sie blieb fast auf der Schwelle stehen und schaute zu mir herab. »Das ist dein neues Zuhause, Bulle…«
»Nicht gerade wohnlich.«
»Das soll es auch nicht sein.«
»Vor allen Dingen dann nicht, wenn man gefesselt ist.«
»Dein Pech.«
»Bin ich eine so große Gefahr?«
»Bullen sind immer gefährlich.«
»Die Drähte sind wie Messer.«
Sie winkte ab. »Keine Sorge, daran wirst du schon nicht sterben.«
»Bekomme ich nichts zu essen oder zu trinken?«
»Doch - später.« Sie nickte mir zu. »Erst einmal werde ich dich allein lassen und herumhorchen, was so alles in der Zwischenzeit geschehen ist.« Sie zog die Tür halb zu. »Du kannst ja schlafen und dich ausruhen. Das ist am besten für den Körper.«
Nach diesen Worten gab es für Madeleine Bishop nichts mehr zu sagen. Sie zog die Tür zu und ließ mich allein…
***
Es war eine noch schlechtere Situation für mich, da machte ich mir keine Illusionen. Ich war so verdammt allein. Es war dunkel um mich herum, und ich hatte, im Gegensatz zur Fahrt mit dem Wagen, nicht die Spur einer Ablenkung. Ich konnte mit keinem Menschen reden und mich nur auf mich und meine Lage konzentrieren.
Um die Schmerzen in den Gelenken kümmerte ich mich nicht, weil ich mit meinen Gedanken auf die Reise ging. Ich wollte mich selbst ablenken, und ich rekapitulierte.
Für mich sah es schlecht aus.
Man hatte mich wirklich außer Gefecht gesetzt. Eine Hoffnung gab es trotzdem, und die hieß Jane Collins. Aus irgendwelchen persönlichen Gründen hatte Madeleine meine Freundin am Leben gelassen. Ich kannte Jane. Ich wußte, daß sie alles daransetzen würde, um mich zu finden, und sie würde es auch nicht allein durchziehen, sondern die Hilfe anderer in Anspruch nehmen.
Da kam eigentlich nur Suko in Betracht. Hinter ihm stand die Macht des Yard, repräsentiert durch Sir James Powell, unseren Chef. Auch er würde alle Hebel in Bewegung setzen, um mich zu finden.
Vorausgesetzt, dieses ungewöhnliche Paar hatte auch Spuren hinterlassen.
Ob der Kontakt zwischen Madeleine und ihrer Familie völlig abgebrochen war, konnte ich nicht sagen. Wenn nicht, hätte sich dort vielleicht etwas ergeben können. Ich war optimistisch und ging mal davon aus, daß die Familie über das Haus Bescheid wußte. Es konnte durchaus sein, daß es ihr gehörte, wenn Madeleine es nicht heimlich erworben hatte. Auch das war möglich.
Voran brachte es mich nicht, wenn ich hier auf den Säcken lag, in die Dunkelheit starrte und darüber nachdachte, was noch alles passieren könnte.
Man hatte mich niedergeschlagen. Das war auch noch in meinem Kopf zu spüren, aber diese Schmerzen hielten sich in Grenzen. Etwas anderes war wesentlich schlimmer.
Der Druck dieser verdammten Fesseln aus Blumendraht war wesentlich schwerer zu ertragen. Wenn ich die Gelenke ruhig hielt, spürte ich sie kaum. Das änderte sich erst bei Bewegungen. Da merkte ich dann schon, wie sie andere Stellen der Haut berührten und dabei hineinschnitten.
Es war mir noch möglich, die Zehen und auch die Finger zu bewegen. Damit fing ich an, und ich merkte sehr bald, daß es mir guttat, auch wenn
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