11 - Die Helden des Westens
könnt Euch denken, daß ich den Vater in Gedanken begleite. Wer weiß, ob er noch lebt.“
„Ich bin ganz überzeugt davon.“
„Die Sioux können ihn getötet haben!“
„Mit diesem Gedanken braucht Ihr Euch nicht zu sorgen. Die Ogellallah wollen ihre Gefangenen nach dem Häuptlingsgrabe bringen, und das werden sie auch tun; darauf könnt Ihr Euch verlassen. Je später die Unglücklichen getötet werden, desto länger dauern die Qualen, welche sie zu erdulden haben, und darum fällt es den Sioux gar nicht ein, sie ihnen durch einen früheren Tod abzukürzen. Ich kenne diese roten Kerls sehr genau, und wenn ich Euch sage, daß Euer Vater jedenfalls noch lebt, so könnt Ihr es glauben.“
Er wickelte sich in seine Decke, legte sich nieder und tat, als ob er schlafen wolle. Unter den nicht ganz geschlossenen Lidern hervor aber beobachtete er Martin Baumann, den dicken Jemmy und den Hobble-Frank, welche leise und angelegentlich flüsterten, genau.
Nach einiger Zeit erhob der Dicke sich von seinem Platze und schlenderte langsam und scheinbar unbefangen nach der Seite hin, an welcher die Pferde grasten. Sofort stand auch Old Shatterhand auf und folgte ihm heimlich. Er sah, daß Jemmy sein Pferd, welches nur angehobbelt war, anpflockte, und trat nun schnell auf ihn zu.
„Master Jemmy, was hat Euer Gaul verbrochen, daß er nicht frei fressen soll?“ fragte er ihn.
Der einstige Gymnasiast wendete sich erschrocken zu ihm um.
„Ah, Ihr seid es, Sir? Ich hielt Euch doch für eingeschlafen.“
„Und ich hielt Euch bis jetzt für einen ehrlichen Kerl!“
„Alle Teufel! Meint Ihr etwa, daß ich es jetzt nicht mehr bin?“
„Fast scheint es so!“
„Warum?“
„Aus welchem Grund erschrakt Ihr so, als ich jetzt hierher kam?“
„Aus dem ganz einfachen Grund, aus welchem ein jeder erschrickt, der bei Nacht ganz unerwartet angeredet wird.“
„Der müßte ein ziemlich schlechter Westmann sein. Ein braver Jäger bewegt sich unter Umständen selbst dann nicht, wenn ganz unerwartet vor seinem Ohr ein Schuß abgefeuert wird.“
„Ja, wenn dabei die Kugel ihm durch den Kopf geht, so bewegt er sich allerdings nicht mehr!“
„Pah! Ihr wißt genau, daß es hier kein feindseliges Wesen gibt! Es sollte niemand merken, daß Ihr Euer Pferd angepflockt habt.“
Der Dicke verbarg seine Verlegenheit hinter einem zornigen Ton:
„Jetzt, Sir, begreife ich Euch nicht. Kann ich denn mit meinem Pferd nicht mehr machen, was mir beliebt?“
„Ja, aber heimlich braucht Ihr es nicht zu tun!“
„Von Heimlichkeit ist keine Rede. Unter den Pferden der Upsarokas befinden sich einige Schläger. Mein Gaul ist bereits einmal verletzt worden. Damit das nicht wieder geschehen möge, habe ich ihn angepflockt; er soll diese störrige Gesellschaft gar nicht aufsuchen können. Ist das eine Sünde, so hoffe ich, daß ich Vergebung finde.“
Er wendete sich ab, um zum Lager zurückzukehren. Old Shatterhand aber legte ihm die Hand auf die Schulter und bat:
„Bleibt noch einen kurzen Augenblick, Master Jemmy. Es kann nicht meine Absicht sein, Euch zu beleidigen; aber ich glaube Veranlassung zu haben, Euch zu warnen. Daß ich das unter vier Augen tue, mag Euch zeigen, wie hoch ich Euch schätze.“
Jemmy schob seinen Hut nach vorn, kratzte sich hinter dem Ohr, wie es sonst sein Freund Davy zu tun pflegte, wenn er sich in Verlegenheit befand, und antwortete:
„Sir, wenn ein anderer mir das sagte, so würde ich ihm ein wenig mit der Faust im Gesicht herumlaufen; von Euch aber will ich die Warnung annehmen. Also, wenn Ihr einmal geladen habt, so drückt in Kuckucks Namen los!“
„Schön! Welche Heimlichkeiten habt Ihr mit dem Sohne des Bärenjägers?“
Es dauerte eine kleine Weile, bevor Jemmy antwortete:
„Heimlichkeiten? Ich mit dem? Dann sind diese Heimlichkeiten so sehr heimlich, daß ich selbst von ihnen nicht das geringste weiß.“
„Ihr flüstert immer miteinander!“
„Er will sich in der deutschen Sprache üben.“
„Das kann er auch laut tun. Ich habe bemerkt, daß er in letzter Zeit viel besorgter um seinen Vater ist als vorher. Er befürchtet, daß dieser von den Ogellallah getötet worden sei, und ich gebe mir vergebliche Mühe, ihm das auszureden. Ihr habt vorhin davon gehört, daß er wieder davon anfing. Ich befürchte, daß er sich mit Gedanken trägt, welche zwar seiner Kindesliebe, nicht aber seiner Einsicht Ehre machen. Wißt Ihr vielleicht etwas davon?“
„Hm! Hat er Euch etwas davon gesagt,
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