11 - Die Helden des Westens
Sioux-Ogellallah nur, um zu erfahren, ob Euer Vater noch lebt.“
„Ja, einverstanden.“
„Wir machen nicht etwa auf unsere eigene Faust einen Versuch, ihn zu befreien.“
„Auch da bin ich Eurer Meinung.“
„Schön! Ich kann es mir lebhaft vorstellen, wie es in Eurem Herzen aussehen mag. Ihr steht eine reelle Angst um Euren Vater aus. Das rührt mein altes gutes Gemüt, und ich begleite Euch. Aber sobald wir gesehen haben, daß er noch lebt, kehren wir um und reiten den anderen nach. Wenn Ihr nur nicht auf den Gedanken gekommen wäret, den Hobble-Frank mitzunehmen.“
„Er hat es verdient, daß ich diese Rücksicht auf ihn nehme.“
„Aber ich denke, daß er uns mehr schaden als nutzen werde.“
„Oh, Ihr irrt Euch in ihm. Er ist trotz aller seiner Eigenheiten ein mutiger und auch gewandter Kerl.“
„Das mag sein; aber er hat ein ganz entschiedenes Pech. Was er am besten anzufangen scheint, das gelingt ihm am allerwenigsten. Solche Unglücksvögel sind die besten Geschöpfe, aber man muß sie meiden.“
„Ich habe es ihm nun einmal versprochen und will ihm nicht das Herzeleid antun, mein Wort zurückzunehmen. Er hat in Freud' und Leid treu bei uns ausgehalten, und es ist eine Art Belohnung für ihn, wenn ich ihn mitnehme.“
„Und Wohkadeh? Geht er noch mit?“
„Ja. Wir haben so innige Freundschaft geschlossen, daß es ihm unmöglich ist zurückzubleiben, während ich diesen Ritt unternehme.“
„So ist also alles in Ordnung, und es handelt sich nur darum, unbemerkt fortzukommen. Freilich wird es morgen früh eine große Sorge um uns geben, wenn wir verschwunden sind, aber ich denke, der Neger wird den Auftrag ausrichten. Da kommt Jemmy.“
Der Dicke kam herbei und setzte sich zu ihnen.
„Nicht wahr, Old Shatterhand hegt Mißtrauen?“ fragte Davy.
„Ja. Er hat mich inquiriert wie einen Spitzbuben“, brummte der Dicke mißmutig.
„Du hast aber doch nichts gestanden?“
„Versteht sich ganz von selbst. Aber sauer ist es mir freilich geworden. Ich habe meine Zuflucht sogar zur Grobheit nehmen müssen. Das nahm er mir übel und ging fort.“
„Und er hat gesehen, daß du unsere Pferde anpflocktest?“
„Ich hatte es nur erst mit dem meinigen getan. Er war mir glücklicherweise zu schnell nachgekommen. Laßt uns aber jetzt schweigen, damit wir sein Mißtrauen einschläfern. Da kommt nun auch der Mond. Wir wollen das Feuer auslöschen und uns dann unter die Bäume legen. Da gibt es Schatten, und man bemerkt unsere Entfernung nicht sogleich.“
„Gut, daß wir Mondschein haben; da finden wir wenigstens den Weg.“
„Er ist uns deutlich vorgezeichnet, immer am Fluß hinab. Einerseits ist es mir gar nicht lieb, daß wir gezwungen sind, die Gefährten zu täuschen, andererseits aber kann es ihnen auch nichts schaden. Früher hatten auch wir ein Wort zu sagen; jetzt aber sind Old Shatterhand und Winnetou die Kommandanten. Jemmy und Davy werden nur so nebenbei einmal um ihre Ansicht gefragt. Da ist es eigentlich ganz an der Zeit, ihnen zu zeigen, daß wir auch noch zu den Westmännern gehören, die einen Plan entwerfen und ihn auch ausführen können. Jetzt nun zur Ruhe. Sie darf für uns nicht lange währen.“
Das Feuer wurde ausgelöscht. Auch die Flammen, an denen die Indianer gesessen hatten, brannten nicht mehr. Die Gespräche waren verstummt. Old Shatterhand legte sich, als er zurückgekehrt war, neben Winnetou in das Gras. Nun war es still ringsum. Nur das schrille Pfeifen der den Erdrinnen entströmenden Dämpfe ließ sich in regelmäßigen Zwischenräumen hören.
Es verging weit über eine Stunde, da regte es sich leise unter den Bäumen, wo Frank, Jemmy, Davy, Martin und Wohkadeh sich zusammen gelagert hatten.
„Meine Brüder mögen mir folgen“, flüsterte der junge Indianer. „Es ist Zeit. Wer eher geht, der kommt eher an.“
Sie griffen nach ihren Waffen und sonstigen Sachen und schlichen sich leise unter den Bäumen dahin, den Pferden zu. Jemmy fand das seinige leicht; die anderen mußten erst gesucht werden; aber den scharfen Augen Wohkadehs gelang es schnell, die vier Tiere vor den anderen zu unterscheiden.
Ohne ein leichtes Geräusch ging das freilich nicht ab. Darum blieben die fünf Flüchtlinge, als sie die Pferde beisammen hatten, eine kleine Weile lauschend stehen, um zu beobachten, ob ihr Verschwinden bemerkt worden sei.
Als es aber dort bei den Schlafenden ruhig blieb, führten sie die Pferde, deren Hufschlag durch das Gras gedämpft wurde, langsam
Weitere Kostenlose Bücher